Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #54

60’s-Soul-Special


Wilson Pickett: I Found A Love Pt.1. / Pt.2 1967 D-Atlantic

Möglicherweise habe ich es bei Guralnick gelesen, der sinngemäß meinte, der Southern-Soul beginne mit dem Urschrei, den Pickett auf I Found A Love ausstieß. Nun gibt es sicher noch einige andere frühe Soulaufnahmen, die allemal einen ähnlichen Anspruch für sich erheben könnten, aber Pickett’s exaltierter Gesang auf jener Falcons-Single, seiner damaligen Gruppe in Detroit, war 1959 in diesem Doo Wop-Umfeld durchaus recht neuartig.
Da ich sie nicht besitze, kann ich diese Single hier nicht vorstellen, stattdessen Pickett’s eigenes Cover eines seiner besten Songs acht Jahre später. Sein drängender, kompromissloser Gesangsstil war mittlerweile längst ein Markenzeichen geworden, er selber bestens etabliert am Markt und das, was wenige Jahre zuvor noch radikal geklungen hatte, findet sich hier recht unspektakulär schon im Intro. Dennoch ist auch dieses eine tolle Aufnahme einer klassisch schönen Southern Soul-Ballade.
Ich gestehe allerdings, dass ich dem Falcons-Track aus diversen Gründen (Backgroundchor, Gitarre, Gesang) den Vorzug gebe.

(·) Ich wiederhole mich hier gern: dt. Soul-Singles sind sicher nicht häufig, aber es gibt offensichtlich auch nicht allzu viele Sammler. Insofern scheint das Angebot die Nachfrage insgesamt noch leicht zu übertreffen. Haben aber einmal zwei Sammler ihr Auge auf eine Platte geworfen, steigt sie preislich recht schnell hoch, anderntags mag sie andernorts wieder für wenig Geld zu bekommen sein. Das entsprechende Interesse vorausgesetzt, scheint mir dieser Markt ein guter Einstieg für Sammler-Neulinge.


The Velvelettes: Needle In A Haystack / Should I tell Him 1964 US-V.I.P.

Motown in Detroit hatte für die weltweite Durchsetzung der schwarzen Musik sicherlich einen noch höheren Stellenwert als Chess in den 50ern und auch als die anderen schwarzen Labels der 60er. Allein die Tatsache, dass es 64/65 von den Supremes, von Marvin Gaye und sogar von den Temptations „deutsch“ gesungene Versionen ihrer eigenen Hits bei uns gab, zeigt schon, dass die Labelpolitik von vornherein auch den weißen Markt im Blick hatte und man sich keineswegs nur auf den schwarzen beschränken wollte.
1964 war zudem die Zeit der Girl Groups und hier waren die Black Beauties deutlich in der Überzahl. So hatte auch Motown, auf seine verschiedenen Labels verteilt, einige Mädels unter Vertrag, wie die Marvelettes, Supremes, Martha Reeves, Mary Wells, Gladys Knight & The Pips, die Velvelettes… Letztere gar auf dem recht kleinen Sublabel V.I.P.
Die Needle ist ein überragendes Beispiel für den frühen Motown-Beat mit seinem absolut mitreißenden Drive. Hier kommen maßstabsetzende (Background-)Vocals und eine wunderschön offene Produktion hinzu. Energie pur. Doo lang doo lang.
Obwohl diese Single auch in England Erfolge verbuchen konnte und die Damen höchst kompetente Musikerinnen waren, brachten sie damals nicht mehr als eine Handvoll 45er auf den Markt, darunter die hervorragende He Was Really Something, bevor die Karriere letztlich Mutterpflichten zum Opfer fiel. In den 80er Jahren fanden sie sich dann wieder zusammen und sind, wenn ich recht informiert bin, bis heute aktiv.

(·) Eine recht gesuchte Single, die keineswegs selten ist, aber schwierig in bester Erhaltung zu bekommen. Im UK wird sehr häufig eine Pressung von 1972 angeboten, welche recht günstig ist, aber natürlich nicht das dortige Original. Dieses mag das Zehnfache kosten. Oben das US-Original, Preis ca. 20-25 $.


James Carr: Love Attack / Coming back To My Baby 1966 US-Goldwax

James Carr gehört zu jenen Musikern, die sich einer internationalen Wahrnehmung und Wertschätzung erst in jüngerer Zeit erfreuen dürfen. In älteren Guides findet man zu ihm eher nur Fußnoten, neuere führen ihn (zu recht) als einen der ganz Großen des Southern Soul. Das mag einerseits ein Licht werfen auf die Weiß-Sichtigkeit des Rock/Popjournalismus, andererseits aber auch ein Beispiel dafür sein, dass es auch heute noch überaus kostbare Entdeckungen in der Vergangenheit geben kann.
James Carr war als Sänger, wenn man die Ausdrucksmöglichkeiten seiner Stimme hört, einer der ganz großen. Zwischen Percy Sledge und Otis hatte er so ziemlich alle Register drauf und war dennoch in jeder Sekunde unverkennbar James Carr. Dass seine Karriere so kurz und wenig erfolgreich war, mag auch mit seiner Persönlichkeit zusammenhängen, die ein geregeltes Arbeiten mit ihm ab Ende der 60er kaum noch möglich machte.
Nach Dark End ist diese Single sicher seine beste. Rein musikalisch wäre sie dem (kleinen) Hit gar vorzuziehen, aber Dark End ist denn doch als Song, von seinem Arrangement und auch von seiner Wirkungsgeschichte her deutlich weiter oben in meinen Tops.
Ohne Abstriche aber hier sein homogenstes, dichtestes Werk. Das liegt zum einen an der unglaublich stimmigen Produktion, dann an dem auf seine Art recht einfachen, dennoch überaus wirkungsvoll gesetzten Song von Label-Chef Quinton Launch und natürlich vor allem an Carr’s herzzeireißenden Vocals, obwohl hier in der raueren Ecke angesiedelt. Eine der Großtaten des 60s-Soul.

(·) Ich habe noch nie allzu viel für meine Goldwax-7“s bezahlt, was mich etwas wundert, enthalten sie musikalisch doch echte Schätze des Southern Soul. Allerdings scheint es verschiedene Auflagen zu geben, was am unterschiedlichen Label-Design erkennbar ist. So habe ich z.B. Dark End sowohl mit obigem Label, als auch, wie in diesem Thread weiter vorn abgebildet, mit dem einfarbig blauen. Der Preis dürfte bei $ 15-20 liegen.

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