Re: Otis´ 7" Faves

#2455857  | PERMALINK

otis
Moderator

Registriert seit: 08.07.2002

Beiträge: 22,557


Marianne Faithfull: Come And Stay With Me / What Have I Done Wrong 1965 D-Decca

Marianne Faithfull war für mich immer ein Beispiel für zwei irrige, aber gern propagierte Ansichten. Dass erstens schlecht sein müsse, wer große Gönner hinter sich weiß. Dass zweitens ein kleines Stimmchen nichts Weltbewegendes hervorbringen könne.
Natürlich gäbe es die Faithfull ohne Jagger nicht, As Tears Go By allerdings auch nicht. Und natürlich hatte die damals 17-/18-jährige ein ziemlich flaches Stimmchen, mit einem ganz eigenen, recht seltsamen Vibrato. Aber was hat sie, was wurde daraus gemacht! Diese hier scheint mir ihre schönste 60s-Single, obwohl es noch so einige weitere unbedingt hörenswerte Tracks (auch auf LP) aus der Zeit gibt.
Die A-Seite enthält eine wunderbare Aufnahme von Jackie DeShannon’s großartigem Song. Keine Frage, Jackie singt ihn deutlich „besser“, ergreifender. Aber dafür schlägt das Faithfull-Arrangement das Original um Längen. Und so wird aus dem recht intimen Singer-Songwriter-Song ein Pop-Song, bei dem einfach alles zusammenpasst. Das fein durchgearbeitete Arrangement mit seiner reichen Klangpalette schafft einen zauberhaften Rahmen um die etwas naiv unbeholfene, seltsam unbetroffene Stimme. Das passt so frappierend, dass etwas ganz Neues entsteht und der Song damit endgültig seine Form gefunden zu haben scheint.
Aber nicht genug. What I Have Done Wrong steht der A-Seite kaum nach. Ähnlich großartig aus den ähnlichen Gründen. Eine fantastische Single.

(·) Die UK-Ausgabe wird preislich bei ca. 10 Euro angesetzt, die deutsche dürfte mit Hülle in bestem Zustand ein Mehrfaches kosten. Sie ist recht selten und sehr gesucht.


Freda Payne: Band Of Gold / The Easiest Way To Fall 1970 D-Invictus

Freda Payne verdiente sich ihre ersten musikalischen Meriten in den 60ern eher im Jazz-Bereich. 1969 nahm sie dann für das neue Invictus-Label der Motown-Macher Holland, Dozier, Holland eine LP auf, aus der diese Single ausgekoppelt wurde. Sie wurde auch gleich ein Welterfolg.
Band Of Gold erscheint mir wie Summe und Höhepunkt der goldenen Detroit-Soul-60s. Hier verbinden sich Supremes-Motown, geniales Songwriting und ein State Of The Art-Arrangement (u.a. auch eine tolle Gitarre a la Joe South) zu einer unschlagbaren Einheit. Besser geht es nicht, außer dass die Aufnahme für meinen Geschmack etwas zu sehr on beat ist, zu wenig Swing hat. Aber das geht mir bei vielen Motown-Tracks so.
Dass auch die Rückseite allemal Hitqualitäten gehabt hätte, bestätigt nur die großartige Klasse der LP-Produktion. Natürlich ein Muss.

(·) Die Single sollte noch leicht und günstig zu bekommen sein.


Laurel Aitken: Rock Steady / Blowin’ In The Wind 1967 D-Columbia

Dass die jamaikanische Musikszene schon in den frühen 60s unglaublich virulent war, dürfte bekannt sein. Laurel Aitken war ihr erster Superstar. In der zweiten Hälfte der 60s hatten Ska und Bluebeat nun die Bremse etwas angezogen und tempomäßig ein, zwei Gänge zurückgeschaltet. Rocksteady bahnte den Weg zu dem, was wir heute unter Reggae verstehen. Mit der Verlangsamung des Tempos ging eine Verfeinerung der Arrangements, des Vocalising und Songwriting einher, was neue musikalische Möglichkeiten eröffnete.
Hier also der Godfather Of Ska mit einer maßstabsetzenden Aufnahme von 1967. Von Song im klassischen Sinne kann keine Rede sein. Aitken toasted in knappen Worten über Rocksteady, das eigentlich Spannende spielt sich im Hintergrund ab. Auf der Basis eines archaisch dumpfen Rhythmusgemisches aus Orgel, Bass und Drums treten immer wieder ein paar schmutzige Bläser und ein frech klimperndes, genialisch gespieltes Klavier hervor. Das hat zwar alles einen Touch von selbstverlorener Zufälligkeit, ist aber dennoch absolut meisterhaft und auf den Punkt hin produziert. Ein wunderbarer Meilenstein des Rocksteady.
Die B-Seite lässt dann erst recht staunen. Sicher eine der seltsamsten Mutationen, die Blowin’ In The Wind je erleben durfte. Aitken singt den Dylan-Song extrem langsam, beinahe andächtig, und unterlegt ihn mit einem Teppich aus typischen Rocksteady-Beats. Dabei sticht besonders die Hammond-Orgel beim ersten Hören ziemlich ins Ohr. Ihre Kombination mit Klavier und dezenten Bläsern ergibt einen ungemein eindrucksvollen, leicht verstimmten Sound, was dem Song auf ganz eigene Art angemessen scheint. Auch wenn es nur eine der vielen Gelegenheitsproduktionen von Aitken gewesen sein sollte, ich möchte dieses Dylan-Cover keinesfalls missen.

(·) Aitken hat in den 60s weit über 100 Singles veröffentlicht. Diese scheint die einzige zu sein, die hier in Deutschland herauskam und ist zudem recht selten. Wohl aber nur von ein paar Dylan-Fans gesucht.

--

FAVOURITES