Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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The Honeybus: I Can’t Let Maggie Go / Tender Are The Ashes 1968 D-Deram

Nach zwei weniger erfolgreichen, dennoch überaus gelungenen Singles, folgte 1968 diese dritte 7“ der Band mit einem der schönsten Songs des Jahres. Mit dem sich anbahnenden Charts-Erfolg verließ Pete Dello, der Kopf der Honeybus, die Band, womit dann auch deren Niedergang begann.
Mir persönlich bedeutete die Maggie damals sehr viel, ich hatte sie dann aber Jahrzehnte nicht mehr gehört und besessen, in dem Glauben, es habe sich damals nur um eine zeitgebundene Liebe gehandelt. But shame on me. Heute könnte ich diese Single niemals mehr missen.
Ein meisterhafter Song, ein wundervolles Arrangement mit klassischen Instrumenten wie Holzbläsern, die damals in diesem Umfeld noch recht gewöhnungsbedürftig waren, obwohl immer mehr Bands ihre Produktionen auf diese Weise auszuschmücken begannen (Nirvana, Marmalade, Casuals…). Klassik war Schulstoff und guter Pop bis dahin das krasse Gegenteil davon gewesen, hier nun begann diese Front aufzuweichen. Es war 68. She flies like a bird in the sky, oh me oh my, I can’t let maggie go. Absolutely sweet Maggie.
In Tender Are The Ashes kommt die härtere Seite der Band zum Vorschein (übrigens auf dem Label noch, wie es jahrelang Usus gewesen war, mit dem Hinweis auf seinen Tanz-Charakter versehen und als “Beat” ausgewiesen im Gegensatz zum „Softbeat“ der Maggie) mit einer ziemlich irren E-Gitarre. Sie zeigt, dass die Jungs keineswegs irgendwelche Schmuserocker waren, sondern ihre musikalischen Mittel ausgesprochen gezielt und sehr bewusst einzusetzen wussten.

(·) Eher selten angeboten und nicht leicht in neuwertigem Zustand zu bekommen, dann dürfte sie allemal 20 Euro kosten.


Beachwood Sparks: Desert Skies / Make It Together 1998 US-Bomp

Bei dieser Single drängt es sich auf, die Frage nach der Zeitgemäßheit von Musik einmal kurz anzureißen. Einerseits ist es vom künstlerischen Standpunkt zurecht etwas fragwürdig, wenn Musik aus früheren Zeiten mehr oder weniger nur kopiert wird, wie es z.B. Coverbands machen. Andererseits ist gegen eine Musik natürlich absolut nichts einzuwenden, die sich an Früherem orientiert, dieses aus der Perspektive und mit dem musikalischen Wissen von heute (was das frühere als gewusst einschließt) weiterführt oder vervollkommnet.
Der Begriff Retro ist dabei in jedem Fall fehl am Platz, er trifft beides nicht. Es gibt keine Kunst, die rückwärts gewandt ist oder auch nur zurückgeht, es gibt nur Kunst, die aus sich selbst heraus besteht und ihre Rechtfertigung in sich selber trägt. Alles andere ist Handwerk, und das kann nicht rückwärts gewandt sein, sondern nur gut oder schlecht (siehe die Genesis-, Doors-, Depeche Mode-, Floyd-Coverbands oder Top10- etc. Bands).
Bei dieser Single klingt manches auf den allerersten Höreindruck hin so, als habe man es schon ein paar Mal gehört. Bei näherem Hinhören entpuppt es sich aber als in jeder Hinsicht eigenständig und auf seine Art „neu“. Das ist ganz große, absolut unverbrauchte Musik, die sich wie selbstverständlich aus den Quellen der Vergangenheit speist. Die Freiheit aber muss man sich wohl nehmen, hier nicht eine verspätete Ausgabe der Byrds-Paisley-Rain Parade-Schiene hören zu wollen, sondern der Musik den eigenen Raum zu geben, der ihr zusteht. Dann macht sie richtig Spaß, dann gibt es kaum Besseres.
Desert Skies hier ist in keiner Weise mit der späteren LP-Aufnahme zu vergleichen. Das sind zwei völlig verschiedene Welten. Wer das eine kennt, weiß vom anderen schlichtweg gar nichts. Die LP-Version ist eine Uptempo-Nummer, die leichtfüßig durch die Wüste huscht, während es der Single-Track in tiefer Verehrung für die Paisleys der frühen 80er weitaus ruhiger, aber druckvoller anzugehen versteht. Womit natürlich nichts gegen den LP-Track gesagt sein soll.

(·) Als ich sie in Roots gehört habe, habe ich sie nach ganz oben auf meine Wantlist gesetzt und recht schnell und nicht sonderlich teuer (d.h. unter 10 $) bekommen. Also nichts wie ran.


The Who: I’m A Boy / In The City 1966 D-Polydor International

Entwhistle blows. Welch ein Intro! Vier Takte, die keinerlei Zweifel daran lassen, wo es lang geht. Boys rules, ok?!
Die Geschichte eines Söhnchens, den die Mutter gern als Mädel sehen würde, der aber endlich ein richtiger Junge sein will. Das hört sich ziemlich dramatisch an, dennoch bekommt Pete Townshend dieses kleine Pubertätsdrama mit unglaublich wenig Textzeilen so passgenau hin, dass man nur staunen kann und Selbsterlebtes dahinter zu vermuten beginnt. In der letzten Strophe, eingeleitet von Entwhistle’ s Horn, wird er dann so konkret, dass es auch dem Hörer weh zu tun beginnt: Wanna play cricket on the green / ride my bike across the street / cut myself and see my blood / I wanna come home all covered in mud.
Junge, reiß dich los, die Musik zieht dich raus. Der Falsett-Gesang mag noch an das Mädchen in ihm erinnern, aber die Schlusstakte sind so voller Kraft und Fäusteballen, dass keine Zweifel mehr an seiner Lebenspower bestehen können.
Ein thematisch seltsamer Song vielleicht, aber ich liebe ihn ungemein und so muss I Can See For Miles möglicherweise Platz machen auf der Liste.
PS: Ich habe zum Vergleich die CD-Version von der Maximum R&B gehört. Die Single hat derart mehr Druck und Präsenz, dass es schon einer Verfälschung gleichkommt, was dort geboten wird. Meine Box also demnächst bei Ebay.

(·) Noch einigermaßen leicht zu bekommen, da sie recht gut verkauft wurde. Für ein Mint-Exemplar wird man ca. 20 Euro anlegen müssen.

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