Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #49


LaVern Baker: Hey, Memphis / Voodoo Voodoo 1961 D-Atlantic

LaVern Baker gehört neben Ruth Brown zu den wenigen weiblichen Stars der 50er, die größere Erfolg verbuchen konnten. Ihre Atlantic-Hits wie Tweedle Dee und I Cried A Tear waren genre-übergreifend nicht nur in den R&B-Charts zu finden. Dass sie zudem einige großartige Rock’n’Roll-Tracks aufgenommen hat, zeigt nicht nur ihre Single Jim Dandy To The Rescue aus dem Jahr 56. Der Song ist eine leicht ironische Huldigung an den Mann für alle Lebenslagen, Jim Dandy.
Als Elvis im Jahr 61 dann mit Little Sister und His Latest Flame eine seiner besten Singles herausbrachte, nahm er auf jenen Baker’schen Jim Dandy Bezug, als er sang: I went for some candy, along came Jim Dandy and they snuck right out of the door.
Dies wiederum war Anlass für LaVern Baker mit Hey Memphis eine Replik auf die Elvis-Platte zu veröffentlichen. Im Grunde ist es bis in Einzelheiten ein Cover von Little Sister, allerdings deutlich schwärzer gehalten als die Elvis-Aufnahme. Auch hier gibt es die tollen Gitarrenfills, jedoch sind sie eher im Jimmy Reed-Stil gespielt, was dem Ganzen etwas Urwüchsiges und Rohes verleiht.
Und welcher Schatz verbirgt sich auf der Rückseite! Eine Art zeittypischer Twist sicherlich, bassarm und flott, dabei aber so kompromisslos und rau, dass der damalige Twist-Fan von dieser seltsamen Power aus vokaler Direktheit und gnadenlosem Beat wohl überfordert gewesen sein dürfte.
Bemerkenswert darüber hinaus, dass Phil Spector als Supervisor (?) bei dieser Single seine Finger im Spiel gehabt hat, obwohl nichts zu hören ist, was man von ihm erwarten würde. Außer, dass die Tracks exakt auf den Punkt produziert sind, was nicht Lobes genug sein kann.

(·) Die US-Pressung wird immer mal wieder relativ günstig angeboten, diese dt. oder die UK-Ausgabe sind aber ausgesprochen selten zu finden. Ich denke nicht, dass es eine Bildhülle zu der Single bei uns gegeben hat.


Sandie Shaw: I’ll Stop At Nothing / You Can’t Blame Him 1965 D-Vogue

Girl-Beat aus dem UK kann sicher mit den großen Namen und Aufnahmen aus den Staaten nicht in der Breite mithalten. Dennoch gibt es ein paar klasse Platten von Dusty, Sandie Shaw, Cilla Black, Lulu, Marianne Faithful u.a.. Nachzulesen auch im Dezember-RS innerhalb des Dusty-Artikels von Tops. Da erwähnt er auch diese Single. Als ich sie für die heutige Faves-Ausgabe ausgesucht habe, konnte ich davon noch nichts ahnen. Sei’s drum, eine feine Platte, „erstaunlich frisch und fusselfrei“.
Neben der tollen A-Seite (ein Chris Andrews-Song mit etwas hintergründigem Drive) muss unbedingt die B-Seite Erwähnung finden. You Can’t Blame Him präsentiert sich nämlich in allerbester Girlgroup-Manier. So richtig schön mit Leadvocals und Background-Ladies, frech und rotzig, locker und cool. Eigentlich meine fave-side hier. Insgesamt also eine ganz famose Platte.

(·) Ich glaube, es gibt die Single auch noch mit Bildhülle. In jedem Fall nicht sonderlich häufig.


Drafi Deutscher: Marmor, Stein und Eisen bricht / Das sind die einsamen Jahre 1965 D-Decca

„Otis, das geht nicht! Aber doch nicht Marmor, Stein…!“
Doch das muss gehen und geht auch in diesem Thread. Es ist nun mal die definitive dt. Single der 60s. Sie war von Anfang an verantwortlich dafür, dass ich zu dem „richtigen“ Musik-“geschmack“ ein distanziertes Verhältnis habe. Ich habe sie damals geliebt, trotz (oder wegen?) meiner Liebe zu den Stones, zu Francoise und anderen, und das, obwohl alle in der Umgebung ihre musikalische und textliche Primitivität zu betonen und abzulehnen wussten. Igitt, allein schon der Titel, der doch nach syntaktischen Gesetzen „Marmor, Stein und Eisen brechen“ heißen müsse.
Drafi war ein Star und gebärdete sich auch als ein solcher mit eben jenem egomanen Punch, den man von diesen Leuten erwarten darf. Es sind nicht wenige Entgleisungen seinerseits überliefert, auch von seinen Auftritten. Die Ernsthaftigkeit aber, mit der er seine Songs sang, hatte etwas Unbedingtes, Ausschließliches, was sie zwar einerseits angreifbar machte, andererseits jedoch war das ein Teil seiner Glaubwürdigkeit. Drafi verkörperte, was er sang.
Natürlich muss ich hier diesen Song nicht näher vorstellen. Jeder kennt ihn. Er hat alles, was Pop braucht. Er besingt große Gefühle, hat großartigen Drive, eine tolle Produktion und eine unschlagbare Melodie.
Die B-Seite steht der A-Seite kaum nach, sie hätte für sich genommen allemal Hitqualitäten gehabt und ist deshalb auch von Anfang an im Hör-Bewusstsein mitgelaufen.
Spöttern sei noch vermeldet, dass es für den UK- und US-Markt eine leicht divergierende, englisch gesungene Version gibt. Hier ist allerdings besonders die Flipside Amanda interessant, weil sie für jene Zeit sehr Drafi-untypisch ist. Seine Stimme kommt hier wesentlich geschmeidiger daher, als man sie sonst kennt. Sehr gut. Auch der Song zielt deutlich auf eine internationalere Hörerschaft.

(·) Eine der meistverkauften dt. 60s-Singles denke ich mal. But damn! Wer hat sie wirklich in Mint? Bei mir ist z.B. die Rückseite deutlich abgespielter als die A-Seite, obwohl beide ganz prima aussehen.
Die US-Version (es gibt sie auch mit orangefarbenem Label) ist nicht so selten und teuer, wie man glauben könnte, aber dennoch nicht ganz leicht zu bekommen. Die UK habe ich noch nie gesehen.

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