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The Wingdale Community Singers: Give It A Kiss / My Les Paul 2005 UK-Agenda
Ich habe hier noch nie eine Platte vorgestellt, die erst ein paar Wochen im Handel ist. Diese soll es mir wert sein. Sie bietet eine ganz seltsame Mischung aus Folk und einem Hauch Avantgarde.
Hinter dem seltsamen Namen verbergen sich David Grubbs (ex-Gastr Del Sol, Red Krayola u.a.), Hannah Marcus und Rick Moody, ein recht bekannter Autor in den Staaten. Damit ist schon angedeutet, die Band kommt aus New York, genauer aus Brooklyn. Als ich die Platte zum ersten Mal hörte, wäre ich jede Wette eingegangen, dass es Engländer sein müssten, die solche Musik in die Welt setzen. Seitdem habe ich mittels Google einiges mehr erfahren.
Give It A Kiss ist modern-folk der besonderen Art, wie ihn etwa auch Will Oldham in seiner unnachahmlichen Weise draufhat. Die Wingdales aber verzichten völlig auf verstörende Elemente: I touch the black of the tea, I see a beautiful thing, I wanna give it a kiss. In dieser Art werden wir textlich herausgefordert und das Gitarrenarrangement mit Vocals aus verschollenen Gegenwelten und unendlichen Melodielinien lassen eine Lichterkette musikalischer Schönheit erstrahlen, die nie zu Ende gehen möge. Folk seiner unmittelbaren Aussagekraft beraubt, aber in der Wirkung jene Direktheit und Wärme vermittelnd, die ihm eigen sein können. Wunder-, wunder-, wunderschön.
Und kein bisschen weniger wertig My Les Paul. Songs dieser Klasse scheinen sie aus dem Ärmel zu schütteln, so dass man sie gar als non-LP-Track auf die Rückseite verbannen kann. My Les Paul ist natürlich eine Ode auf eben diese Gitarre. Und so hat sie auch am Schluss ihren Auftritt, einen mit recht samtenem, aber sehr bestimmtem Fuzz.
Musik für alle Freunde von alt-Folk bis alt-Country. Unglaublich schön. Für mich bislang Single des Jahres.
(·) Die Single ist derzeit auch in D über Rough Trade erhältlich. Seit Mai ist auch ein CD-Album auf dem Markt. Habe es noch nicht gehört. Weiß jemand, ob es noch als Vinyl erscheinen wird?
The Drifters: Save the Last Dance For Me / Nobody But Me 1960 D-atlantic
Die Drifters haben seit 1953 von sich reden gemacht. Zunächst eine relativ kurze Zeit mit dem großartigen Leadsänger Clyde McPhatter, dann ab 1959, nach einer ziemlich kompletten Umbesetzung, eine Zeitlang mit Ben E. King als Leadsänger. Aus dieser Ära ist Save The Last Dance For Me ihr größter und langlebigster Hit. Leicht südamerikanisch angehaucht arrangiert, wie es Mode damals war, singt Ben E. King diesen Pomus/Shuman-Song derart unnachahmlich, dass der millionseller nicht ausbleiben konnte.
An dieser Aufnahme und seinen Coverversionen ist wunderbar zu studieren, was musikalische Klasse ist und wo sie aufzuhören pflegt. Hier ist nichts überzogen, hier wird nichts überdehnt, alles ist musikalisch dezent angedeutet, dennoch ungemein drängend und fordernd. Selbst das großartige Streicherintermezzo macht keine Kompromisse und unterstreicht die aufgeregte Mischung aus Eifersucht und Erwartungshaltung. Kein Zweifel, was dem erbetenen letzten Tanz noch folgen soll.
Manches Ohr mag sich das Arrangement an vielen Stellen „schöner“ und vom Tempo her langsamer ausgespielt vorstellen können und es wurde ja auch von diversen Coverversionen in dieser Art „bestens“ bedient, aber diese Aufnahme ist und bleibt unübertroffen.
Auch Nobody But Me ist ein ganz feiner Track.
(·) Ein Hit, dennoch als deutsche Atlantic nicht ganz leicht zu bekommen. Meine klingt zwar gut, muss aber wegen des Schriftzuges auf dem Label noch unbedingt ersetzt werden.
The Jimi Hendrix Experience: Hey Joe / Stone Free 1967 D-Polydor
Es muss nicht viel gesagt werden. Welch ein Gitarren-Intro, welch ein Debüt! Unverändert und absolut begeisternd bis heute: die Vocals, die ungeheure Dichte der Aufnahme, die so zeitverhafteteten Backgroundvocals, die dem Ganzen dennoch eine unnachahmliche Tiefe geben, und die, bei aller Dichte, wahnsinnig durchsichtige Produktion. Dabei rede ich von der Mono-Aufnahme der Single!
Welch eine Aufnahme! Eine musikalische Tour de Force, eine grandiose Steigerung ins irgendwann nicht mehr Steigerbare. Wir kennen andere Versionen, frühere und spätere von Hey Joe. Aber keine hat auch nur annähernd diesen tödlichen Eifersuchtswahn derart musikalische Wirklichkeit werden lassen wie Hendrix. Hier finden schwarze Direktheit und Emotionalität und weißes Form- und Strukturbewusstsein zu einer musikalischen Einheit, die kaum je wieder so erreicht worden ist. Und das alles zu einer Zeit, als andere sich abmühten mit irgendwelchen dubiosen Kapellen eines Herrn Pfeffer und krähenden Hähnen frühmorgens.
(·) Nach wie vor relativ leicht zu bekommen.
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