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Faves #45
Mike Berry With The Outlaws: Tribute To Buddy Holly / What’s The Matter 1961 UK-HMV
Ich weiß noch genau, dass ich durch den Titelsong Buddy Holly kennen lernte. Indirekt natürlich nur, aber immerhin. Es war Mitte der 60s an einem der Karussells der Jahrmarktsfeste in der Umgebung. Sogleich verliebte ich mich in die Musik des hier verehrten Musikers, obwohl ich sie noch nicht kannte. Und deshalb werde ich natürlich auch dieser Platte immer die Treue halten.
Mike Berry hat den Geist Buddy Holly´s so vollkommen eingefangen, wenn nicht gar überhöht, dass man es schon kitschig nennen könnte, wenn der Begriff im Pop überhaupt tragfähig wäre. Ist er nicht. Denn Pop lebt von der Überzeichnung, von der großen Geste, den überlebenswichtigen Gefühlen. Und deshalb kann es keinen schöneren musikalischen Grabstein geben als diese Platte. Sie schlachtet Holly´s Musik zwar ziemlich gnadenlos aus, nimmt hier was weg und dort was, ja, der Übergang zum Mittelteil versorgte mich gar im Vorhinein mit der Essenz von Peggy Sue usw. Zudem singt Mike Berry mit soviel Hall, um seinem großen Idol Buddy nahe zu kommen, dass man es ebenfalls grenzwertig hören könnte.
Aber zusammengenommen ergibt das alles eine unglaublich stimmige musikalische Reverenz an einen der Größten.
Erwähnen sollte man noch, dass dies natürlich eine Joe Meek-Produktion ist und ein G. Goddard-Song. Bei den Outlaws, einer Art Hausband von Meek, spielte eine Zeitlang auch R. Blackmore. Ob auch bei diesem Song, weiß ich nicht. Ohnehin ranken sich um ihn einige Gerüchte, was Veröffentlichung, BBC-Bann etc anbelangt. Tops, kannst du da Genaueres beisteuern? Ich las mal was von Seancen, etc.
What’s The Matter? Wieder Buddy Holly pur, aber in der Lesart Meek’s und der Outlaws. Mit schönem Gitarrensolo.
(·) Die Platte erlebte so einige Wiederveröffentlichungen (sogar eine Neuaufnahme von Berry in den 70ern) und wurde hier in Deutschland im Laufe der Jahre sehr gut verkauft, weshalb irgendein Exemplar unschwer aufzutreiben sein dürfte. Oben das UK-Original.
Sir Douglas Quintet: She’s About A Mover / We’ll Take Our Last Walk Tonight 1965 D-Decca
Doug Sahm hat einige Klassiker für die Nachwelt geschrieben, She´s About A Mover scheint mir der langlebigste, auch wenn es längst nicht so bekannt ist wie Mendocino beispielsweise. Dennoch ist es schwer, seine Musik für den zu beschreiben, der sie nicht kennt, und seine Klasse dem zu verkaufen, der sich an die Noten (sprich: musikalische Komplexität) hält. Da ist nämlich oft nicht viel.
Ich fange mal mit der Rückseite an. Ich hatte diesen Song bislang kaum richtig wahrgenommen. Aber auch er zeigt die Klasse dieses Mannes: Songwriting auf den Punkt gebracht, drive und earcatchiness, die sich aus Wiederholung und Einfachheit ergeben, was zusammen genommen schlichtweg mitreißend ist.
Um wie viel mehr aber schafft dies alles die A-Seite. Einfachster Rhythmus, aber clever, einfachste Harmonien (12-Takt-Blues), eher rudimentäre lyrics, dennoch auf Anhieb in den Ohren ein Klassiker. Wohl weil Doug auf alles verzichtet, was diese Aufnahme davon abhalten könnte, einer zu sein. Ich denke, das ist seine wirkliche Kunst: die Reduktion des musikalisch Möglichen bis auf den Kern (man vergleiche nur M. Holms Mendocino-Aufnahme mit dem Original). Er schönt nirgendwo, alles wirkt etwas roh und unbehauen, aber gerade das macht die Wirkung aus. Im Übrigen hat Augie Meyer’s Orgel, wie auch bei der Rückseite, einen nicht geringen Anteil am Gelingen.
She’s About A Mover ist oftmals gecovert worden. Ich liebe diese Aufnahme.
(·) Ich habe ewig nach dieser Platte gesucht und sie erst vor wenigen Jahren bekommen, sie dürfte als dt. Pressung recht selten sein.
The Electric Chairs: Eddie & Sheena / Rock’n’ Roll Cleopatra 1978 UK-Safari
Wayne/Jayne County ist ein New Yorker Transsexueller, den es zu Hochzeiten des Brit-Punk – er soll der erste gewesen sein, der Anarchy in den Staaten gespielt hat – nach London getrieben hatte. Das mit der Transsexualität wurde auch damals immer, wenn der Name fiel, ausgebreitet. Es mag dies zwar zu seiner Bekanntheit beigetragen, aber, aus welchen Gründen auch immer, womöglich nicht unbedingt seinen Erfolg begünstigt haben.
In London also nahm er mit seinen Electric Chairs diese wunderbare Single auf. Statt Eddie & Sheena hätte sie natürlich auch Elvis Rotten heißen können.
Da verlieben sich nämlich Eddie, der Teddyboy, und Sheena, der Ramones-Punk, über alle Maßen und musikalischen Grenzen hinweg ineinander und heiraten schließlich. Ihre Geschichte wird musikalisch mit klassischem 50s-Teds-Balladen-Rock untermalt. Sehr cool, sehr gut. Als die beiden dann ein Kind bekommen, nennen sie es, na klar, Elvi-i-i-i-i-i-i-s Roo-aaa-tten. Von nun an geht es in bester Ramones-Manier zur Sache. Wieder großartig und perfekt bis in kleinste Details. Eine Art Novelty-Song in einer musikalischen Umgebung, die so etwas eher nicht gewohnt war.
Ich persönlich mag in den seltensten Fällen Parodien. Aber ich liebe diesen Song, er ist weitaus mehr als das, was man sich aus dieser Ecke so vorstellen mag. Er nimmt seine Geschichte, die er erzählt, genauso ernst wie die Musik, mit der er sie unterlegt. Es ist keine billige Parodie, keine alberne Travestie-Nummer, sondern ein durchaus ernst gemeintes statement zur Zeit. Wenn auch mit reichlich Augenzwinkern.
Was auch wieder einmal die Frage aufwirft: Humor und Musik, wie gut geht das eigentlich zusammen? Wahrscheinlich hatten damals nicht wenige Hörer Probleme mit dieser Fragestellung, denn die Platte ist kaum verkauft worden. Dabei stellt sie musikalisch vieles aus jener Zeit weit in den Schatten.
Die Rückseite bringt anderes an den Tag. Die Chairs zeigen sich dort weder als Teds noch als Punks, sondern eher als modern rockers, weshalb ich damals ihre LP auch wieder verkauft habe.
Jedoch der Titeltrack hier und damit diese Single sind und bleiben mir auf ewig wichtig.
(·) Ein Kleinod und sicher nicht häufig.
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