Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #42


Isley Brothers: Behind A Painted Smile / One Too many Heartaches 1969 D-Tamla Motown

Die Isley Brothers dürften zum Langlebigsten gehören, was die Popbühne erlebt hat, es soll sie, in welcher Inkarnation auch immer, noch heute geben. Ende der 50er/Anfang der 60er standen sie für harten R&B, wie er sich in Hits wie Shout und Twist And Shout, beide unendlich oft gecovert, manifestierte. In den Jahren danach blieben sie präsent, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Die beiden größten Hits in der zweiten Hälfte der 60er waren This Old Heart Of Mine und diese Single.
So sehr ich ihre frühen Sachen schätze, aber diese wunderbare Single toppt in ihrer Eigenheit den Rest des Oeuvres. Zwar stand auch ihr 66er This Old Heart Of Mine den allerbesten Four Tops-Songs in keiner Weise nach, aber mit diesem musikalischen Wunderwerk gelang ihnen, was Songdramaturgie und Arrangement anbelangt, eine im Soul selten erreichte Dichte und Direktheit.
„Whenever you near I hide my tears behind a painted smile“, darum geht´s. Doch wie es umgesetzt wird, ist schlichtweg großartig. Es beginnt mit einem fast halbminütigen, zartfühlenden, sinfonischen Intro, welches aber nur ein Vorspiel ist für den gnadenlos harten Beat, der dann einsetzt und die Basis bildet für die Wahnsinnsarie des Sängers an die abweisende Geliebte, selbstquälerisch, verzweifelt und hoffnungslos stolz dabei. Ein Emotionsstau in Musik, der packender nicht sein könnte. So viel Wahrheit, so viel Emotion mit so wenig Textzeilen hat man selten in weniger als drei Minuten gehört. Ein paar Drum-Shots am Ende bringen die wenig tröstliche Erlösung.
Unglaublich gut und ein, wie mir scheint, etwas unterschätzter Höhepunkt im Tamla Mowton-Katalog. Die Single ist mir heute noch so lieb wie am ersten Tag.

(·) Man sieht die Single nicht oft und wenn, dann wird sie nicht einmal gekauft. Ein Los vieler großartiger Soul-Singles in Deutschland, aber eine Chance für Neueinsteiger.


The Rolling Stones: The Last Time / Play With Fire 1965 D-Decca

Meine No.1 der Stones-Singles. Beim letzten Mal habe ich anlässlich von Francoise´s Abendwind mein 65er Pop-Coming-In geschildert. The Last Time war ein weiterer Teil davon.
Mehr als die A-Seite betörte mich zunächst Play With Fire. Dieser seltsame, ruhige Song, der absolut keinen Zweifel daran ließ, wo es langzugehen hatte. Don´t play with me, cause you play with fire. Das verstand jeder. Kein Fun, keine Fröhlichkeit, aber auch keine Balladen-Zutaten wie Streicher und Cembalo, die wir etwas später bei As Tears Go By und Lady Jane zu hören bekamen und die uns zunächst leicht irritierten.
Play With Fire hatte Kraft und Stärke und vor allem Ernsthaftigkeit. Im Vergleich zu Drafis Cindy Lou oder France Galls Poupee de cire, beide zur gleichen Zeit erfolgreich, schien dies hier Musik für die Großen, für die Welt der jugendlichen Erwachsenen (die es im Grunde noch gar nicht gab). Und so fühlte man sich auch als Hörer. Sehr ernst genommen.
Über Play With Fire gelang dann auch der Zugang zur A-Seite, welche eine kleine Herausforderung darstellte: wenig Melodie, ein recht gleichförmiges Arrangement, keinerlei Avancen an den Publikumsgeschmack. Für den Pop-Novizen war das zunächst leicht verstörend, kurze Zeit später aber nur noch großartig. Man wuchs und bildete sich am Besonderen, am Sperrigen. Nein, so etwas hatten die Beatles wirklich nicht zu bieten. Und damit waren die Fronten geklärt.
Eine Platte für die Ewigkeit. Die Stones waren in meinen Ohren nie besser auf Single als mit diesen beiden Seiten.

(·) Gehört in jeden ordentlichen Haushalt.


Farrah: Living For The Weekend // Only Happy When She’s Sad / Downtown 2000 UK-Espresso

Powerpop, wie er im Buche steht. Wenn ich solche Singles finde, schlägt mein Herz immer etwas höher. Sie sind musikalisch sicher nichts Besonderes, keinesfalls in der Top-100, aber ohne sie wäre meine Musikwelt viel ärmer. Man legt sie auf, wenn man mal wieder einen kleinen Kick braucht. Spielt sie einmal, zweimal und dann tackert der Ohrwurm einem die gute Laune in den Tag.
Ich kenne die Band Farrah nur von dieser Single. Wegen des nichtssagenden, miesen Artwork hätte ich sie beinahe übersehen. Aber als ich sie mir anhörte, war schon nach wenigen Takten klar: eine kleine Preziose. Living For The Weekend beschreibt nichts mehr als eben dieses. Und das mit aller Kraft. Eine wunderbare Melodie, tolle Gitarren, knackiger Pop-Rock mit jenem Schuss Rotzigkeit, den solche Platten benötigen. Kein bisschen überproduziert, absolut auf dem Punkt. Irgendwo zwischen Buzzcocks und The Church, zwischen Beatles und Bay City Rollers. Perfekt gemacht, nichts für die Ewigkeit, aber gut zu wissen, dass es auch heute noch solch tolle Musik gibt. Ich sollte nach mehr von Farrah Ausschau halten. Tops, ist der Rest von ihnen ebenso empfehlenswert?

(·) Damals gesehen, gehört, gekauft. Wenn man sie findet, wird sie gewiss nicht teuer sein.

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