Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #38


Mark Beer: Pretty / Per(version) 1981 UK-Rough Trade

Ganz klar in meiner Top 100. Keine Diskussion! Mag sie auch noch so unerkannt und unbekannt und unbedeutend sein. Diese Single ist schlicht großartig. Für viele sicher nicht besser als anderes, aber für mich Liebe auf den ersten Blick. Ich gestehe, sie damals nur wegen des Covers gekauft zu haben; zu Zeiten noch, als Rough Trade für eher rauere musikalische Ware stand. Doch als ich die Platte auflegte und mich 3 Minuten lang schiere Schönheit umzauberte, hatte sie für immer gewonnen.
Mark Beer war von Hause aus Bassist, was wohl der Grund dafür war, dass sein Instrument absolut führend hier ist, was ja selten genug vorkommt. Das mag auch den besonderen Reiz dieser Platte letztlich ausmachen: ein recht redseliger Bass, ganz wenige Base-Drumschläge nur, Rhythmusgitarre und ein leicht verfremdetes Klavier mit sehr vereinzelten Akkorden. Das ganze Arrangement ist also extrem luftig und durchsichtig. Darüber nun ein eher trockener, wenig phrasierender, aber hochmelodischer Gesang, der von einem engelhaften Mädels-Chor ergänzt wird. Unglaublich pretty. Pretty, pretty. Einer der kleinen Höhepunkte z.B. the sweet little kiss oder die leichte Dramatik, als Bowie´s Heroes ins Spiel kommen. Das Ganze also gedacht als musikalische Umsetzung des Warhol´schen Satzes von den 15 Minuten Berühmtheit.
Die Rückseite enthält eine Zerlegung der A-Seite in ihre Einzelteile. Jedes Soundelement wird isoliert und mit den anderen linear neu kombiniert. Also ein Nacheinander, kaum Gleichzeitigkeit. Hört sich sehr dekonstruktivistisch und kopfig an, ist aber trotzdem schön, wenn man die A-Seite kennt.

(·) Neben dieser Single, die sicher keine Top-Rarität ist (wer sammelt schon Mark Beer), hat Beer auch noch eine LP gemacht Dusty On The Road. Ich habe sie einmal gehört, aber leider nicht mehr richtig im Kopf. Weiß jemand mehr über den Mann?


P.J. Proby: Hold ME / The Tip of My Finger 1964 UK-Decca

Wenn ich an P.J. Proby Denke, fällt mir immer wieder Nik Cohn´s Buch A WopBopaLooBop… ein, in dem er auf eine extrem subjektive, aber überaus suggestive Weise seine Geschichte der Rockmusik bis zum Ende der 60s erzählt. So eigen es sein mag, aber es ist durchaus lesenswert und sein Portrait von Proby ist sehr nah dran am Gegenstand. Er schildert ihn als leicht überspannten Amerikaner, der dann auch in England sein Glück versucht und an allem und niemandem scheitert, außer vielleicht an sich selbst. Und, dass er auf der Bühne schier fantastisch war. Ein wenig davon (auch von seiner Überspanntheit) kommt in Hold Me zum Ausdruck. Ich liebe es sehr. Da passt alles, seine wirklich gute Stimme, das leicht trashige Arrangement mit reichlich Drums-Blech und Fuzz-Gitarre (ja, ´64 schon!) und die großen, beinahe schon überzogenen Gesten des Songs. Einfach wunderschön.
The Tip Of My Finger bekommt diese Ausgewogenheit schon nicht mehr ganz so gut hin, aber es bleibt dennoch ein schöner kleiner Song, der nirgendwo ins Gigantische abdriftet, obwohl er Gelegenheit dazu hätte.
(·) Es gibt auch eine dt. Version mit Sleeve von dieser Single auf Decca. Sehr selten.


Cathy Davey: Cold Man´s Nightmare / Some Things I Can´t Have 2004 UK-Regal

Es gibt Singles, die einen auf Anhieb packen, weil sie aus Altem etwas Neues machen und damit ganz genau recht haben. Wie Oasis damals oder die Libertines mit What A Waster vor ein paar Jahren. Und es gibt Singles, wie diese hier, die Altes auf die Spitze treiben. Denn genauso hätte die A-Seite in gewisser Weise eigentlich schon vor 20 Jahren erscheinen können oder vor 30, aber sie erschien erst vor einigen Monaten und sie ist dennoch schlichtweg großartig. So etwas ist dann wohl Pop, der die Zeiten überdauert.
Ich weiß nichts über Cathy Davey, will auch nicht googeln. Auch scheint das Cover mir kaum die Musik widerzuspiegeln. Denn, was sich hier darbietet, ist Girlpop, der kaum besser, schöner und definitiver sein könnte. Da ist alles drin von Francoise bis Blondie, von den Young Marble Giants bis Beth Gibbons. Das alles untergründig natürlich nur.
Ein toller Song also mit fantastischer Melodieführung auf der A-Seite und allen Girlpop-Zutaten, die das Ohr schmelzen lassen. Auf der Flipside findet sich ein eher zurückhaltendes, fragiles Gebilde; Triphop ohne Beat. Ganz großartig das alles.
(·) War nicht ganz einfach, die Single zu bekommen, wenn man nicht zu Anfang dabei war.
Nicht anders als bei den meisten neueren 7“s, denen man manchmal lange nachlaufen muss, sie zu bekommen. Und dann meist nur zu hohen Preisen. Unbedingt zulangen, wenn sie auftaucht.

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