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The Standells: Why Pick On Me / Mr. Nobody 1966 D-Columbia
Yeah, The Standells. The Standells gehören zu jenen US-(Garagen-)Bands, die bei uns während der Zeit des Beat-Booms sträflich übersehen wurden, wie die Beau Brummels, Chocolate Watchband, Seeds… Ich mag sie sehr. Ihr „großer“ Hit und Klassiker war Dirty Water. Dann folgte kurz darauf diese Single. Dirty Water besitze ich nicht auf 7“, diese ist mir zudem noch ein ganz klein bisschen lieber. Es ist das Paint It Black der Standells, welche ohnehin ein Faible für die Stones hatten. Moll-Harmonien, Sitar-ähnliche Gitarren-Sounds, eine tolle Orgel und einen Drive, der einen kaum los lässt. Und Girls-bashing natürlich.
Mr. Nobody ist ein typischer Garage-Punk-Song aus jener Zeit. Schneidend scharfe Vocals, Fuzz-Gitarren und dieser archaische Hammond-Sound, der ein ganz klein wenig süchtig macht. Toll.
Anhand z.B. dieser Single könnte man ins Grübeln geraten darüber, was denn die Stones u.a. so viel besser gemacht haben und warum. Sicher, sie waren musikalisch differenzierter, weitaus perfekter in Stil und Umsetzung, sie waren Stars und konnten das auch musikalisch im positiven Sinne ausleben: Aber solche Singles, wie diese hier oder Dirty Water, sind keineswegs Randerscheinungen, ihnen fehlt vielleicht der lange Atem einer stabilen, selbstbewussten Band dahinter. Das Lineup der Standells wechselte häufiger, so war zu Beginn auch mal Gary Leeds, einer der späteren Walker-Brothers in der Band, am Ende auch Lowell George. Klein ist die Welt, groß dieses Vinyl.
(·) Diese dt. Ausgabe wird kaum jemand kennen. Sie ist sehr rar, wie Standells-Singles ohnehin nicht sonderlich dicht gesät sind.
Manuela: Ich geh noch zur Schule / Hey Boy, lass doch den Whisky 1963 D-Telefunken
Manuela war die „Göre aus dem Wedding“, ein „Schlagerstar“, der mit einer tollen dt. Version von Eydie Gorme´s Blame It On The Bossa Nova 1963 ein Nr.1-Hit gelang. Im Anschluss daran machte sie einige vorzügliche Beat-Singles, wovon diese, ihre nächste, eine ihrer besten ist. Beide Seiten gehen auf US-Originale zurück, von denen ich keines kenne. Die A-Seite auf ein Folk-Trad On Top Of Old Smokey, die Rückseite stammt von Jerry Goffin: Don´t Try To Fight It Baby, was es von den Shirelles geben soll.
Beide Songs haben zwar zeittypische, dennoch für sich genommen sehr stimmige dt. Texte bekommen, die sich von einfacher Schlagerlyrik deutlich abheben. Kostproben: „In der Küche, da saß ein Mann und er wollte mein Manager werden, weil er meint, dass ich singen kann. Er versprach mir das Blaue vom Himmel und ich würde ein großer Star. Doch ich sagte Danke schön… Ich geh noch zur Schule, ich hab keine Zeit“ „Hey Boy, lass doch den Whisky, ich habe dich doch genauso lieb, auch wenn es nur Limonade gibt… Hey Boy, auch deine Mama, die hat dich längst durchschaut … sie sagt, du bist doch sonst nicht so, zu Haus bist du mit einer Cola froh“ ;)
Noch ein paar Worte zu Manuela (=Doris Wegener). Sie hatte in Teenie-Jahren angefangen, in Berliner Kneipen zu singen und dann auch als Sängerin der Tahiti-Tamourés Platten aufzunehmen. Ihre erste Single unter eigenem Namen „Hula Serenade“, noch in der Tradition der Tahitis, erschien bei Ariola und ist sehr selten. Von Telefunken unter Vertrag genommen hatte sie dann als 20-jährige 1963 gleich den Riesenhit, dem noch viel folgen sollten. Ab Mitte der 60er, ab „Lord Leicester“ etwa, wurden ihre Aufnahmen allerdings immer mediokrer.
Ende der 60s/Anfang der 70s passierten zwei Dinge: sie bekam einen Millionen-Deal für Shows in Las Vegas und besaß, wieder zu Hause, den Mut, das Ansinnen eines ZDF-Produzenten, der von ihr für einen Auftritt Liebesdienste verlangte, auszuschlagen und das Ganze öffentlich zu machen. Hat sie ihn nicht sogar verklagt, Tops? Das machte sie fortan in den deutschen Medien zu einer absoluten persona non grata. Heute unvorstellbar.
Wolfgang Doebeling und seinem langen Artikel im Berliner Tip in den frühen 80ern hatte sie dann zu verdanken, dass sie noch einmal kurz das Licht der Medienwelt erblickte, bevor sie 2001, eher verarmt und nicht einmal sechzig geworden, irgendwo in Bayern verstarb. Ein trauriges Schicksal einer guten dt. Sängerin.
Soweit alles korrekt, Tops?
(·) Oben sind Vorder-und Rückseite des Sleeves abgebildet. Manuelas Singles sind recht gesucht, aber auch sehr gut verkauft worden. Deshalb sind die großen Hits günstig, die seltenen Sachen von ihr aber recht teuer. Nachdem WD letztens in Roots ihr tolles, englisch gesungenes Nitty Gritty gespielt hat, möchte ich diese Single natürlich auch unbedingt haben. Wird wohl ein unerfüllter Wunsch bleiben.
John D. Loudermilk: Blue Train / Mister Jones 1962 D-RCA
John D. Loudermilk´s Blue Train gehört zu den ganz großen Train-Songs. Die Eisenbahn als Topos für Heimatlosigkeit, Verlassenheit, Suche nach einem Zuhause…
Hier ist die Liebste davongelaufen und er nimmt den Blue (!) Train … of the heartbreak railroad line, um sie zu vergessen. Natürlich sind solche Songtexte und –inhalte nichts wirklich Besonderes, dennoch überzeugen sie durch ihre karge Einfachheit. Hinzu kommt hier eine perfekte musikalische Umsetzung des Songthemas. Mir fällt kein Song ein, in dem Zuggeräusche mit so einfachen musikalischen Mitteln (Bass und Snare) derart überzeugend, dabei keineswegs dümmlich oder aufdringlich, umgesetzt wurden: Die sparsam eingesetzte Mundharmonika und das lang gezogene hohe „blue train“ tun ihr Übriges.
Mr. Jones ist etwas bluesiger angelegt, inhaltlich ein Heiratsantrag. Beide Titel sind sehr überzeugende Beispiele für das unglaubliche Songwriter-Talent von Loudermilk. Mit ganz lockerer Hand serviert er hier zwei Song-Klassiker, die sich musikalisch zudem kaum perfekter umsetzen lassen. Und dennoch waren sie mit J.D.L. keine allzu großen Hits, obwohl die dazugehörende LP „Language Of Love“ ein echter Seller war und noch mehr solcher Kostbarkeiten enthält.
Wie man dem Cover entnehmen kann, gab sich Loudermilk keine allzu große Mühe, marktgerecht aufzutreten. Das Bild soll nun aber keinen davon abhalten, sich mit ihm zu beschäftigen. Von der Physiognomie her und in Kenntnis diverser Cover-Versionen seines Hits Tobacco Road möchte der eine oder andere womöglich eine eher tiefe Stimme vermuten. Das Gegenteil ist der Fall, sie ist auffallend hoch.
(·) Die dt. Single ist relativ selten, die US-Ausgabe recht gut zu bekommen.
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