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Etta James: Tell Mama / I´d Rather Go Blind 1967 D-Chess
Zugegeben, Tell Mama ist „nur“ typischer Memphis-Soul aus Rick Hall´s Muscle Shoals-Studios. Fette Bläsersätze, midtempo und mitreißend. Spitzenmäßig gemacht, aber dennoch nur eine tolle Aufnahme unter mehreren.
Nein, nicht die A-Seite macht diese Platte so herausragend, es ist die unübertroffene Interpretation von I´d Rather Go Blind. Hat man je eine intensivere, mehr zu Herzen gehende schwarze Female-Soul-Ballade über das Ende einer Liebe gehört als diese hier?
Dabei ist das Ganze alles andere als vordergründiger Soul voller Tränen und Leid (gibt es dieses musikgewordene Klischee eigentlich?), denn so bewegend es ist, so fein kultiviert ist es auch.
Etta James singt diesen Song Lied ohne irgendwelche Manierismen und Effekte mit einer ganz eigentümlichen Unbewegtheit, wohinter der tiefe Schmerz eines tödlich verletzten, geradezu erstarrten Herzens hörbar wird.
Und das auf der Basis eines Arrangement, das sicher mit zum Besten gehört, was die schwarze Musik in den 60´s hervorgebracht hat. Wieder ist es nicht das technisch Kunstvolle, sondern die Reduktion, die schlichte Einfachheit, in der die atemberaubende Wirkung liegt. Ein kräftiger Bass, sehr zurückhaltende Drums, sparsam die Bläser und Background-Girls, dafür aber eine Gitarren-/Orgel-Begleitung, die man kaum je so gehört hat. Die E-Gitarre (oder sind es zwei?) kommentiert das Geschehen mit ganz vorsichtig eingesetzten kräftigen Licks und Tremoli. Die Orgel begleitet mit völlig unbeteiligt wirkenden, durchgehend gespielten Triolen, im Hintergrund aber ertönt dazu eine wundersam langgezogene, fast sakral anmutende Melodie.
So kommt eine Stimmung auf, die den Hörer förmlich auf die Knie zwingt. Überaus bewegend, in mancher Hinsicht beinahe unterkühlt, und auch deshalb eine der größten Soul-Singles aller Zeiten.
Weil das so ist, noch ein Wort zur Platte selbst. Sie klingt richtiger, gleichzeitig offener und präsenter als jedes moderne Remastering davon würde klingen können, obwohl sie in mono ist! Dass meine deutsche Ausgabe davon deshalb für mich ein ganz besonderer Schatz ist, muss ich da nicht mehr betonen.
Small Faces: Itchycoo park / I´m Only Dreaming 1967 D-Columbia
Sie waren in der letzten Zeit etwas überrepräsentiert in diesem Thread. Werde mein Auswahl-Prinzip mal überdenken müssen. Es hat bislang jedoch ganz gut funktioniert.
Itchycoo Park ist selbstverständlich wieder ein Glanzstück dieser tollen Band. Ich beginne mal mit I´m Only Dreaming, was ich mir damals vielleicht zwei- oder dreimal angehört habe. Heute liebt man auch solche Songs. Es ist sicher kein ganz großer, aber in seiner seltsamen Eigenart keineswegs Hörzeit-Verschwendung. Die ganze Welt der Small Faces in zwei Minuten komprimiert, von der Decca-Zeit bis in die Zukunft des Happiness Stan reichend.
Und Itchycoo Park selbst war damals der letzte 7“-Track von ihnen, den ich uneingeschränkt geliebt habe. Ein ganz klein bisschen ging es für mich zwar auch schon hier bergab. Mit Tin Soldier bekam die große Liebe Risse, bei Lazy Sunday erlosch sie dann zwar noch nicht (dabei sind diese letzten beiden womöglich ihre musikalisch besten Aufnahmen), aber beide 7“s hatten nicht mehr die Anziehungskraft für mich wie die davor. Die späteren noch weniger.
Itchycoo Park hatte zu viele tolle Sounds, als dass wir ihnen damals nicht begierig hätten lauschen wollen (allein dieses Phasing von Kenny Jones´ Drums), gleichzeitig wurde es schon ein bisschen zu viel, zumindest gemessen am Decca-Output, den unsereins zuvor so geliebt hatte. Dabei bin ich durchaus damals schon ein Fan von psychedelischeren Sounds gewesen, aber die Small Faces standen für mich für eine andere Musik, von der sie sich mehr und mehr abzuwenden schienen. Dennoch natürlich derzeit allemal in den Top 100.
Solomon Burke: Take Me (Just As I Am) / I Stayed Away Too Long 1967 D-Atlantic
Für den Fan der Soul-Ballade kann es kaum eine größere Single geben als diese hier. Two sides of finest slow soul-food. Und was für welches. Eigentlich habe ich immer die Rückseite favorisiert, aber die A-Seite kann allemal mithalten.
War der frühe Soul noch eine Säkularisierung des Gospel, so erscheint es einem hier eher umgekehrt. Die offensichtlich weltlichen Textzeilen bekommen eine quasi-religiöse musikalische Aura durch den Einsatz der Orgel und getragen von der so wunderbar samtenen Stimme des Rock´n Soul Bishop. Es ist jene typische, elektrische kleine Kirchenorgel, die man aus unzähligen Filmszenen von Gospel-Acts zu kennen glaubt, die hier eine ganz wichtige Rolle spielt.
Aber keine Sorge, die Songs und ihr Vortrag haben es in sich. Der Bishop sang kaum je besser als zu dieser Zeit. Erhebend schön.
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