Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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The Raindrops: The Kind Of Boy You Can´t Forget / Even Though You Can´t Dance 1963 D-London

Diese Platte wird kaum jemand kennen. Muss man auch nicht. Ich habe sie reingenommen, weil sie ein schönes Beispiel für musikalische Überraschungen ist, die auf 7“s verborgen sein können.
Ich hatte sie irgendwo gekauft, weil sie sehr schön erhalten und auf dem schwarzen dt. London-Label war. Verkaufen kann man solcherlei in diesem Zustand allemal wieder. Zu Hause aufgelegt, überraschte sie mich mit feinstem Girlie-Doo Wop. Didl-didl-didl-it. Wo-oh-oh. Einfach Klasse, frisch und unverbraucht, dabei mit dem nötigen Maß an Dirtyness.
Auch die Flip ist richtig guter Girlpop, wenngleich sie an die A-Seite natürlich nicht herankommt.
Und wieso kannte ich diese Raindrops nicht? Ich begann zu forschen.
Und man staunt nicht schlecht: Hinter diesem Namen verbarg sich das Songwriter-Gespann Greenwich/Berry, aus dessen Feder so viele großartige frühe 60s-Klassiker stammen. Angefangen von Tell Laura I Love Her über Do Wah Diddy bis hin zu den großen Songs der Shangri-Las und Ronettes und vieler anderer.
The Raindrops waren ein Nebenprodukt ihrer Arbeit- es soll auch eine LP von ihnen geben, die wohl in erster Linie Demos enthält. Vom Sound her klingt diese Single ebenfalls etwas demo-haft. Für mich bekommt sie aber gerade dadurch einen zusätzlichen Reiz.
Wenn es wirklich Ellie Greenwich ist, die da singt, ist es eine Schande, dass sie nicht viel mehr aufgenommen hat. Man höre nur diesen wunderbaren Zwischenteil nach der ersten Strophe. Girl-Pop-Vocals vom allerfeinsten.


Small Faces: My Mind´s Eye / I Can´t dance with You 1966 D-Decca

Anders als im Fall der Go-Go´s weiter oben steckt hier jeweils die gleiche Platte mit derselben Aufnahme in den beiden abgebildeten Hüllen. Bei den Stones u.a. hatte ich ja schon auf die 60´s-Praxis der verschiedenen Bildhüllen für die gleiche Platte hingewiesen. Hier eine besonders schöne und begehrenswerte Variante. Das blaue Cover rechts ist das weitaus seltenere. (Da bin ich mir sicher, Mikko!)
Ich beschränke mich zwar normalerweise auf eine Ausgabe für meine Sammlung, aber es gibt Platten, die habe ich so sehr ins Herz geschlossen, dass ich um eine Variante mehr davon im Regal nicht böse bin. My Mind´s Eye ist so eine.
Zur Musik nur wenig. My Mind´s Eye wird von manchem als unbedeutend kleines Stückchen Pop abgetan. Ich weiß das wohl. Dümmstes Zeug ist das. Für die Erklärung aber, warum der Song so unglaublich toll ist, ist er mit seinen 1:53 fast zu kurz.
Tolles Intro, wunderbare, leicht melancholisch wirkende, fallende Melodienlinie. Dann eine Bridge. Aufschwung. Immer noch diese ungelenke Schraubergitarre, die ihr eigenes Ding abliefert, als Begleitung, unnachsichtig und unbequem. Strophe und Abgesang. Das war´s. Einfacher geht es nimmer. Besser auch kaum.
Die Flip ist einer jener wilderen Mod-Songs, die sicher nicht sonderlichen Swing oder musikalische Klasse hatten, aber eine Ungestümheit und Unbedingtheit an den Tag legten, die keine Ausrede gelten ließen.


Marsha Hunt: Walk On Gilded Splinters / Hot Rod Papa 1969 D-Polydor

Oben schon hatte ich bei „Desdemona“ Bolan/Visconti´s Südstaaten-„Voodoo“-Nähe angesprochen. Hier nun wird sie ganz offensichtlich. Dr. John´s großartiger Song von seiner ebenso großartigen LP Gris Gris erscheint hier ein Jahr später in einer tollen Coverversion. So sehr Marsha Hunt eher eine „Röhre“ als eine artikulationsreiche Stimme hatte, so sehr schafft sie es dennoch innerhalb dieses überaus stimmigen Arrangements besonders zum Ende hin einen tollen Zauber aufzubauen.
Ich muss nicht sagen, dass sie mit ihrem Afro-Look und ihrem Aussehen die damals Spätpubertierenden ohnehin absolut verzauberte.
Keep the Customer Satisfied ist die dritte und in meinen Ohren schwächste Single jener Zeit. Aber an ihren Beat-Club-Auftritt mit diesem Song, in einem überaus gewagten Dekolleté, erinnere ich mich so gern, als wäre er gestern gewesen.
Die Rückseite ist wieder einer jener ominösen Bolan-Songs, die er hier mit Marsha Hunt unter das Volk zu bringen versuchte. Der Song ist gut, aber die Produktion versagt einigermaßen. Unter Visconti wäre das eine heiße Nummer geworden. So aber wirkt das Ganze etwas überladen und steif. Sehr schade. Es hätte eine kongeniale Ergänzung zur A-Seite sein können.

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