Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Lene Lovich: Say When / One Lonely Heart D-Stiff ´79

Ihrem großen Hit „Lucky Number“, mit dem sie, wenn ich mich recht erinnere, als Newcomerin groß von ihm angekündigt und für den deutschen Markt von ihm „entdeckt“, damals in Bioleks „Bahnhof“ auftrat, folgte bald diese Single.
Lucky Number war relativ eingängig gewesen, dennoch neuartig in seiner Kombination aus verspielten Kieks- und Piepsgeräuschen, den eigenartigen Vocals Nina Hagens nicht unähnlich, nur weicher. Und sie selbst als bezopftes Schulmädchen agierend, was irgendwo im Widerspruch zu der Musik stand und dennoch gleichzeitig eine Erklärung dafür war, warum Lucky Number ein ganz klein bisschen harmlos, fast chansonhaft kalkuliert daherkommt.
Say When fand ich damals schon besser und heute hat sich der Abstand noch beträchtlich vergrößert zwischen diesen beiden Singles. Es lebt viel weniger von musikalischen Gags, ist stringenter in seiner Form, frecher in seiner Attitüde und insgesamt einfach eine tolle Single!!
Die Flip-Konkurrenz allerdings hätte die Lucky gewonnen. „Home“ ist schon verdammt gut und „One Lonely Heart“ dagegen „nur“ eine Art englisches Chanson. Hier ist zwar der Gesang nicht ganz so manieriert wie bei manch anderen Aufnahmen von ihr, dafür aber das übrige Arrangement.


Joe Simon: Teenager´s Prayer / Long Hot Summer D-London ´66

Ich hoffe, dass sich manch ein Kenner jetzt mal ein wenig die Augen reibt, wenn er so ein tolles Teil wie das da oben sieht. :lol: Wenn ich so eine Single in diesem Zustand auf einer Börse finde, schlägt jedenfalls mein Herz schneller und meine Hände fangen ganz leicht an zu zittern. Man will ja dem Verkäufer nicht zu erkennen geben, dass er hier einen Schatz völlig unterteuert für ein paar lumpige Euro verkauft. Eine solche Single ist das. Ich muss Creations Makin Time nicht besitzen, wofür einige leicht 300 Euro zahlen, mir ist so etwas Freude genug.
Warum? Was ist drauf?
Joe Simon war in den 60´s und frühen 70´s ein relativ bekannter Soulstar, aber eher aus der zweiten Reihe. Nach frühen Vee Jay-Aufnahmen wechselte er ´66 zu Sound Stage 7 und hatte einige Hits, wovon dieses der erste war. Später gab es noch das tolle Chokin Kind von ihm (irgendwo auch auf einer Rare Tracks).
Teenager´s Prayer ist nichts weniger, als der Titel verspricht. Eine wunderbare Ballade über die ewige Unerfülltheit jugendlicher Wünsche, eine, die ihre relative Unbekanntheit absolut nicht verdient, eine, die ohne Weiteres neben den ganz großen dieser Zunft steht.
Joe Simon´s Stimme hat leichte Ähnlichkeit mit der von Percy Sledge, ist aber etwas tiefer und voller mit einem Schmelz, der selbst aus einem flotten „Shake“, wie der Rückseite, noch eine Deep Southern Soul Party macht. Im übrigen: ein ganz toller Bass hier!!
Eine solche Single, deren Feinheit schon zu Lebzeiten kaum wirklich erkannt wurde, deren Musikalität auch heute noch nicht so recht in Schubladen passt, ist in meinen Ohren immer ein kleines Wunder. Und erst recht dann eines, wenn sie als so wunderschöne deutsche Pressung irgendwo auftaucht. Als schwarze, gold-glänzend beschriftete London!
Aber weil sie keiner sucht, ist sie wahrscheinlich günstig zu bekommen. Wenn man sie denn findet!!!


Rolling Stones: 19th Nervous Breakdown / As Tears Go By D-Decca ´66

Eines vorweg. Eigentlich wollte ich die Stones-Singles nicht einzeln vorstellen. Wollte sie wie die Beatles in einem Abwasch abhandeln. Aber da kam Widerspruch von einem großen Freund der Band, gleichzeitig irgendwo Initiator dieses Threads (ihr ahnt, wen ich meine!), und es ist wohl recht.
Schnöder Grund war, dass ich nur noch wenige Stones-7“s habe. Und einfach keine Lust, diese zu sammeln, da es mir nicht gelingt, davon eine halbwegs gute Sammlung zustande zu bringen. Und ich bin kein Briefmarkensammler. Das muss man bei den Stones aber womöglich sein, wenn man es ernst meint.
Da gibt es die Cover zu den einzelnen deutschen Singles mal mit dicker Schrift, mal mit dünner, mal mit braunem Balken, mal mit rotem oder weißem, mal mit dieser Hülle, mal mit jener. Zu einigen Singles allemal eine Handvoll Alternativen.
Und das Schlimmste: die frühen Singles hatten Hüllen, von denen ich noch nie eine besessen habe, weil sie so selten, so gesucht und so teuer sind. Blassroter Hintergrund und die Köpfe der fünf, wie mit der Nagelschere ausgeschnitten, daumennagelgroß auf diesem Hintergrund schön verteilt aufgedruckt: das berühmte Fünf-Köpfe-Cover, für das uns die Engländer wohl ausgelacht haben müssen. Anrührend unbeholfen und irgendwo cool zugleich. Aber ohne wenigstens einige dieser Hüllen ist jede dt. Stones-Singles-Sammlung nur Stückwerk. Also habe ich es erst gar nicht wieder versucht.
Noch mal zur Klarheit: die Platten selbst sind allesamt gleich, sie steckten aber im Laufe der Zeit, in der sie im Handel waren, in unterschiedlichen Sleeves.

19th Nervous Breakdown ist natürlich großartig und es ist ein tolles Gefühl hier zu sitzen, über diese Single zu schreiben, sich an die Zeit zu erinnern, als sie einen zum ersten Mal mit ihrem ganz eigentümlichen Drive faszinierte. Sie immer und immer wieder laufen zu lassen, dabei keine Sorge haben zu müssen, dass ein ungebetener nächster Song, diese Eintracht stören wird. Sie hört einfach auf und die Nadel kratzt und ploppt in der Auslaufrille. Kurz davor aber das, was mich damals schier umhaute, dieses tuckernde, melodisch fallende Blubbern des Basses. Das waren Sounds von einem anderen Stern, die in seltsamem Gegensatz zu den kraftvoll direkten Klängen des Songs bis dahin standen. Wunderbar auch die rhythmische Mehrschichtigkeit der beiden Gitarren an manchen Stellen.
Muss es einem heute eigentlich peinlich sein, wenn man As tears Go By immer noch so schön findet wie damals? Ich denke nicht. Es ist von wunderbarer Stringenz, nirgendwo dumm oder aufgesetzt und für mich ein absoluter Stones-Klassiker, auch wenn sie es damals für Marianne Faithful geschrieben hatten. Ihre Version ist deutlich „unromantischer“, weil irgendwo flotter und eckiger als die der Stones.
Von As Tears Go By gibt es übrigens eine italienische Single, auf der die Stones diesen Song in italienisch singen: „con le mie lacrime“.

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