Re: Otis´ 7" Faves

#2454481  | PERMALINK

otis
Moderator

Registriert seit: 08.07.2002

Beiträge: 22,557

Faves #1


Beach Boys: Surfin´Safari/409 D-Capitol 1962

Es geht mit der ersten Major-Single der Beach Boys gleich gut los.
Sie hatten ihre allererste Single Surfin´/Luau zuvor bei dem kleinen Label Candix veröffentlicht, welche in Kalifornien, besonders in Los Angeles ein Hit war, aber nationwide nicht sonderlichen Erfolg hatte. Sie war aber Grund genug, dass Capitol die Beach Boys unter Vertrag nahm. Es gab sogar eine deutsche Ausgabe dieser Candix-Single auf Ariola. Ich habe diese Ariola-7“ aber erst einmal in schlechtem Zustand und ohne Hülle gesehen. Im aktuellen Single-Preiskatalog steht sie bei über 800 Euro!
Zurück zu Surfin´Safari.
Surfin´Safari wurde US-weit sofort ein Hit und erreichte die Position 14 in den US-Charts. Dabei soll von vornherein gar nicht mal klar gewesen sein, was denn die A-Seite werden sollte. Die Frage war, ob das Surf-Thema sich landesweit überhaupt verkaufen lassen würde. Mit dem Chevy 409 wären sie womöglich auf sichererem Terrain gewesen. Aber es kam anders und der Surf-Sound wurde nicht zuletzt durch diese Platte zu einem amerika-, wenn nicht weltweiten Musikstil. Mehr als putzig, wenn nicht schon ärgerlich, was ich in der 75er Ausgabe des Rocklexikons über Surf lese. „Surf: ein leichter, heiterer, problemloser Rock, den die Beach Boys 1962 mit dem Stück Surfin´Safari kreierten, Musik zum Wellenreiten. Viele Rockinterpreten brachten bis 64 Surf-Songs heraus, dann lösten Hot Rod-Motorlieder die feuchte Popmusikmodewelle ab.“
Ich habe mir als fernab von Meeren aufwachsender junger Mensch nie vorstellen können, was diese Musik mit Surfen zu tun haben sollte, weiß es auch heute noch nicht. Ich fand sie damals, als ich sie kennen lernte, einfach nur Klasse; den Drive der Rhythmusgruppe und den Drive, den die Jungs allein mit ihren Stimmen zu erzeugen wussten. Schon an Surfin´ Safari ist die Genialität des Beach Boys´schen Harmoniegesangs auszumachen, allein wenn man den Refrain hört. Kann ich nicht beschreiben, muss man hören.
Im übrigen ist meine 7“ schneller als die Version, die ich auf der CD habe und etwas höher von der Tonlage. Ich hoffe doch, dass mein Plattenspieler weiß, dass er nur 45 Runden in der Minute machen darf.
Mit einem Chevy 409 ließ sich sicher manch scharfe Runde an den Stränden von LA hinlegen. Jedenfalls soll ein solcher Chevy der Traum des jungen Gary Usher gewesen sein, der diesen Song mit Brian zusammen schrieb. Einer der ersten Songs mit einem eingespielten Motorengeräusch als Intro. „Giddy up 4-0-9“. Für mich wie die A-Seite ein Klassiker!!
Übrigens gab es damals zu vielen Singles noch keine eigene Bildhülle, häufig wurden, wie oben abgebildet, Künstlerlochcover genutzt.


Cliff Richard and the Drifters: Livin Doll/Apron Strings D-Columbia 1959

Es war schon Cliff´s fünfte Single und es war seine erste Nummer 1 im UK. Auch in Deutschland war sie sein erster und für längere Zeit letzter nennenswerter Hit. Erst ab 61 wurden seine Singles auch in den deutschen Hitparaden Dauerbrenner. Manche von ihnen auf deutsch gesungene Coverversionen seiner Originalhits.
Dies war die letzte Single, auf der sich die Shadows noch The Drifters nannten, ehe sie sich auf Betreiben der US-Drifters in „Shadows“ umbenannten.
„Livin´Doll“ hat alles, was den frühen Cliff und seine Band so unvergleichlich machte. Eine Leichtigkeit und Unangestrengtheit in Sound und Rhythmus, die vergessen lässt, dass der Rock`n Roll sicher nicht in England erfunden wurde, die aber erkennen lässt, dass er hier durchaus seine eigene Ausformung gefunden hat. Ganz im Gegensatz zu Deutschland.
Gerade die Rückseite ist ein wunderbarer Rocker, locker, leicht und flockig in bester früher Elvis-Tradition. Über die etwas manieristischen Vocals mag man heute lächeln, „I wanna be ti-ed ti-ed ti-ed to your apron strings“. Aber Cliff bringt sie überaus überzeugend. Selbst seine kleinen heiseren Screams sind für einen 19-jährigen überaus diszipliniert und songdienlich eingesetzt.
Die A-Seite ist auf dem Logo als Titel aus dem Film „Serious Charge“ ausgewiesen. Kenne ihn nicht. Die Musik jedenfalls funktioniert allerbestens ohne ihn. Ein ganz einfacher, aber feiner Song- bzw. Refrainaufbau, unaufdringlich eigentlich, dabei überaus ear-catching. Ein paar Mal wiederholt und nur von kurzen kleinen Zwischenteilen unterbrochen. Unter anderem von einem tollen Solo von Hank Marvin, welches unspektakulär, eigenständig, aber unglaublich gut integriert ist und den relativ einfach durchhörbaren Fluss des Songs wunderbar auflockert. Der leichte Hall und das ganz zarte Pluckern der Rhthmusgitarre im Hintergrund tun ein Übriges, um diese Single zu einer ganz besonderen zu machen.

The Clash: White Riot/1977 NL-CBS 1977

Über diesen Klassiker braucht man sicher nicht viel zu sagen. Es ist die erste Single der Band um Joe Strummer und Mick Jones, es ist eine der ersten Punk-Singles. Im April 77 füllt sie zeitlich die Lücke zwischen Anarchy und God save the Queen der Pistols, war aber nur kurz in den Charts und nicht in den Top30.
Vorder- und Rückseite sind jeweils keine zwei Minuten lang und dennoch ist die Platte ein absoluter Klassiker. White Riot hat auch heute kaum etwas von seiner Intensität verloren. Beginnend mit einer Polizeisirene setzt dann ganz schnell die unerbittlich harte Rhythmusbasis ein: Ein intensiv treibender, dumpf pluckernder Bass von helleren Drums kontrastiert. Die Gitarren kratzen ihre Akkorde dazu, und dann kommt gleich der Chorus. Ein unidentifizierbares Vocal-Gemisch, das Randale fordert, nein, macht. Dann folgt ein eigentlich gut durchgearbeiter Song, der sich aber mit allen Kräften gegen eine vorschnelle melodiemäßige Vereinnahmung zu sperren scheint. Und wenn ich jetzt das kurze Solo in der Mitte höre, muss ich an Strummer´s Satz denken, dass sie ein Solo brauchten, aber nicht wussten, wie ein Gitarren-Solo in einem Punk-Song zu klingen habe bzw. klingen dürfte. Da haben sie sich dann wohl dieses einfallen lassen. Musik, die sich selbst erfinden musste. Große Klasse. Die Flipside haut dann mit ähnlicher Attitüde dem musikalischen Establishment eins um die Ohren. Und geboren war eine Band, die es wirklich ernst mit sich meinte.

--

FAVOURITES