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Anonym
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Originally posted by Hannoversche Allgemeine Zeitung
Ein Mann kommt an70 Jahre und ganz leise: Leonard Cohens „Dear Heather“
Es ist ein bisschen wie 1979. Nachdem Leonard Cohen sich sein Album „Death of a Ladies’ Man“ im Jahr 1977 von dem schwülstigen Produzenten Phil Spector hatte versauen lassen, brachte er zwei Jahre später „Recent Songs“ heraus. Und das war dann wieder Cohen. Ganz der Alte. Und gleichzeitig ganz neu: Plötzlich nicht mehr nur melancholisch, sondern bedrohlich, als habe sich die Düsternis der Gedanken in ein physisch spürbares Horrorszenario verwandelt.
Es ist kein bisschen wie 1979. Leonard Cohens soeben erschienenes 17. Album „Dear Heather“ folgt zwar auch auf eine weitgehend missglückte Scheibe, die computerbeatgetragenen, soundmodulschwangeren „Ten New Songs“ von 2001. Aber die neue CD hat einerseits etwas von der Bescheidenheit der ersten Cohen-Alben aus den Sechzigern, andererseits fehlt ihr das Suchende. Stattdessen vermittelt sie eine Ruhe, eine Gelassenheit, in der sogar die ohnehin unendlich tiefe Stimme des Dichters und Sängers noch einmal ein wenig tiefer geworden zu sein scheint. Es ist wie ein Zirkelschluss: Leonard Norman Cohen, vor einem Monat 70 Jahre alt geworden, scheint wieder bei seinen Anfängen und bei sich selbst angekommen zu sein.
„Dear Heather“ vereint neun eigene Songs plus zwei von Cohen vertonte Gedichte von Lord Byron und Frank Scott plus ein Quebecer Volkslied plus eine Live-Einspielung des „Tennessee Waltz“. Cohen erzählt von den Frauen, die ihn bitten, ihn noch einmal anzusehen, von seinen alten Briefen an sie, die noch nicht alle verbrannt sind. Er berichtet von den Dingen, die aus seinen Gedanken entstanden sind, und dass dann mehr entstehen konnte, nachdem er aufgehört hatte zu denken. Das Stück „On that Day“ widmet sich während zweier kurzer Minuten in verhaltenem Schmerz, nur mit Piano und Maultrommel (!), dem „Tag, an dem sie New York verwundeten“. Er habe keine Erklärungen, er halte nur die Stellung, teilt Cohen beinahe flüsternd mit, und fragt ebenso leise, ob wir uns denn zum Dienst gemeldet hätten.
An seiner Seite sind diesmal wieder die Mitproduzentinnen und -musikerinnen Leanne Ungar und Sharon Robinson, außerdem hat Cohen mit Anjani Thomas eine Sängerin aufgetrieben, die eine fast klerikale Stimmung erzeugen kann. Ansonsten sind die Stücke mitunter geradezu karg, manchmal spricht Cohen nur.
Der Text des Titelstücks erstreckt sich über nicht mehr als fünf Zeilen: „Liebe Heather, komm’ wieder zu mir, mit einem Drink in der Hand und die Beine weiß vom Winter.“ Dazu eine Drehorgel, eine Trompete, Cohens und Anjani Thomas’ Stimmen verfremdet wie bei Laurie Anderson, und am Schluss buchstabieren sie gar einzelne Wörter.
Nein, es ist nicht wie 1979. Es ist 2004. Und Cohen ist zu Hause.Bert Strebe
„Dear Heather“, Columbia 514768 2.
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