Re: Who's (Be)Bop?

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flatted-fifth
Moderator

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Leider etwas verspätet, hier mein Eindruck des Albums, aufbauend auf den Beobachtungen meiner beiden Vorredner DrNihil und wowee zowee.

Also Jungs, ich glaube Lady Day steckt Euch noch zu sehr in den Knochen, habe das Gefühl, dass ihr in Bezug auf die Stimmung des Albums nicht die geeigneten Messgrößen verwendet. Ich finde, wir haben hier ein gutes Gegenbeispiel zu dem, was (die späte) Billie Holiday verkörpert. Man findet auf „Sarah Vaughan with Clifford Brown“ Lebenslust und Fröhlichkeit, Hoffnung und Zuversicht. Sicher, es gibt auch melancholische Momente auf dem Album, diese wirken aber nie depressiv sondern haben eher einen romantischen Charakter. Romantik und Kitsch, das ist wie bei Duplo: Für die einen ist es ein Schokoriegel, für die anderen die längste Praline der Welt. Auf die Sichtweise kommt es an. Ich persönlich wehre mich gegen den Begriff Kitsch in Verbindung mit diesem Album. Zu den Texten. Ich gebe zu, lyrisch wertvoll ist vieles von dem Vorgetragenen nun wirklich nicht, doch ist der Text im Jazz nicht nebensächlich? Ich meine ja! Im Vordergrund steht die Stimme als „Instrument“, die Scat-Einlagen unterstreichen das. Von daher ist „Lullaby of Birdland“ eines meiner liebsten Stücke auf dem Album. Das wirklich beste Stück allerdings ist, „Jim“ und zwar, es wurde schon angesprochen, wegen dieses schier unglaublichen Trompetensolos von Clifford Brown. Wo wir gerade bei den Musikern sind. Mir persönlich hat Clifford Brown wirklich die Socken ausgezogen, ein absolut grandioses Trompetenspiel! Der heimliche Star, und das finde ich sehr gut beobachtet wowee, ist auch für mich Herbie Mann. Der Rest der Truppe (ja, auch Paul Quinichette) spielt für mich nur eine Nebenrolle.

OK, dass klang jetzt alles sehr positiv von mir, als wolle ich diese Scheibe auf Teufel komm raus in die Ranglisten der besten Jazzalben heben. Ganz so ist es dann aber auch nicht. Nach längerem Hören treten wirklich Ermüdungserscheinungen auf, dem dosierten Einsatz ist also anzuraten. Ich schreibe dies aus gutem Grund (dagobert, Du weißt warum ;)) und stelle damit die Hypothese auf, dass Gesang im Jazz ein Fremdkörper ist, der ihn (den Jazz im ursprünglichen Sinn) in gewisser Weise banalisiert. Diese Hypothese sei an dieser Stelle mal zur Diskussion freigegeben…

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