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Nach einer etwas längeren Auszeit begeben wir uns in die nächste Runde:
Leider!
Was für eine Stimme! Was für ein gesangliches Spektrum! Was für eine Ausdruckskraft! Sarah Vaughan, Virtuosität, die volle stimmliche Kontrolle. Sie müsste eigentlich alles singen können. Nur: das, was man auf „Sarah Vaughan with Clifford Brown“ hört, ist sicherlich nicht alles, jedoch schon zu viel. Um es auf den Punkt zu bringen, auf vier der neun Stücke des Albums hätte verzichtet werden müssen. Man kann die Songs ganz leicht aufteilen. Auf der einen Seite haben wir fünf ruhige Stücke, voll Melancholie und Traurigkeit. Und auf der anderen Seiten, mit den besagten Stücken in keinster Weise in Einklang zu bringen, haben wir vier fröhlichere Songs, flockig und unspektakulär swingend. Diese Songs verhindern das große Album, das „Sarah Vaughan with Clifford Brown“ hätte sein können.
Gegen „Lullaby of Birdland“, den besten dieser verzichtbaren Songs, ist gar nicht viel einzuwenden. Sarah klingt außergewöhnlich jugendlich und das Stück hat einen angenehmen Ohrwurmcharakter. Zwischen Sarahs Scat-Einlagen bekommt jeder der Instrumentalisten die Möglichkeit sich vorzustellen. Besonders postiv fällt zunächst einmal keiner auf, etwas aufgesetzt wirkt hingegen das Drumsolo von Roy Haynes. Aber das ist wohl auch das einzige, was man dem Drummer auf diesem Album vorwerfen kann. „You´re not the Kind“ ist wiederum etwas ärgerlich, fällt es einem doch schwer Sarah Vaughan hier das teenagerhafte „girl like me“ abzunehmen. „He´s my Guy“ ist bereits an der Grenze zu langweilig. Die Solos sind nicht mehr nur unspektakulär oder zurückhaltend, es scheint in diesen Momenten ernsthaft an Ideen zu mangeln. Und „It´s Crazy“, dieser swingende Song mit seinen verhältnismäßig lauten Solos, schmerzt nach der Schwermut von „April in Paris“ doch ganz erheblich in den Ohren. An dieser Stelle sei erwähnt, dass auf der Albumsversion, die uns vorlag, die Songs sich nicht in der Reihenfolge befinden, wie es ursprünglich der Fall gewesen ist. Allerdings hat „He´s my Guy“ im Anschluss an „April in Paris“ gewiss eine ähnlich unerfreuliche Wirkung gehabt. Nein, diese vier Songs sind an sich schon keine Glanztaten, viel schlimmer ist aber, sie schaden der Stimmung des Albums.
Soviel dazu, warum das Album, wie schon gesagt, kein großes ist. Jetzt dazu, warum „Sarah Vaughan with Clifford Brown“ trotzdem hörenswert ist, sprich: zu den restlichen Songs des Albums. Wie Sarah Vaughan zusammen mit ihren Männern an den Instrumenten durch „September Song“, „I´m Glad There is You“, „Jim, „April in Paris“ und letztendlich Gershwins „Embraceable You“ schwebt, ist gleichzeitig einlullend, romantisch und zutiefst traurig. Ein leiser Herbstwind bläst nicht nur durch den „September Song“, sondern auch durch den „April in Paris“ und die anderen drei genannten Stücke. „September Song“ hat eine unwiderstehliche Sarah Vaughan und dieses wunderbare jammernde Flötensolo von Herbie Mann, das seine Mitwirkung auf dem Album rechtfertigt. Und wenn Haynes nach den Solos der Bläser das Ganze noch schleppender macht, bleiben nur schwerlich die Augen trocken. „I´m Glad There is You“ hat zu den Pianoklängen von Jimmy Jones eine beschwörende Sarah, die so geschickt zu dem Rest der Gruppe überzuleiten weiß. Dann dieses sanfte Nebeneinander von ihrem Gesang und den Bläsern! Ein ähnlich emotionales Gespräch, das unnötigerweise kurz von Herbie Mann laut „dazwischenrufend“ gestört wird, ist in „Jim“ zu hören. Doch vor allem hat „Jim“ als Herzstück des Songs dieses schier unschlagbare Solo von Clifford Brown, welches von Haynes so geschickt hervorgehoben wird. Browns großartigster Moment auf dem Album. In „April in Paris“ ist das Zusammenspiel von Vaughan und Jones herrlich. Jones spielt dann auch ein so zärtliches Solo! Ähnlich traumhaft wie zwei Songs zuvor Brown in „Jim“. Zuletzt ist da natürlich auch noch „Embraceable You“. Sarah Vaughan, begleitet von Jones, Haynes und Joe Benjamin am Bass, die alle unauffällig, aber wirksam Akzente setzen, gelingt es meisterhaft das Album zu schließen. Erwähnt sei natürlich auch Paul „Vice-Pres“ Quinichette, der besonders interagierend mit Sarah Vaughan unmöglich zu Unterschätzendes leistet.
Und vergessen seien die anderen vier Songs. Leider nicht ganz möglich.
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