Re: Who's (Be)Bop?

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Ein Duke kommt selten allein

Ein Duke kommt selten allein. Diesen zugegebenermaßen etwas flachen Spruch muss ich jetzt mal bringen, denn endlich liegt vor mir ein Album von Duke Ellington „and his orchestra“. Wie oft hört man von Big Band-Vorstehern, die ihn als das einzig wahre Vorbild nennen (selbst Phil Collins zählt Ellington in den Liner Notes zu seinem Big Band-Swing Ausflug „A hot night in Paris“ zu einer für ihn treibenden Kraft – Meinung bitte selber bilden :rolleyes:). Als wir vorhin noch Duke Ellington auf „Money Jungle“ als Pianist in einem Jazz-Trio hörten, ahnte man schon von seinen Leaderqualitäten – „er hat den Hut auf“, so meine Worte. Er war mehr als nur ein Drittel eines Trios (nebenbei bemerkt, Bruchrechnung kann man bei Money Jungle eh getrost vergessen…). Hier nun, auf „Black, Brown and Beige“, zeigt sich erneut und in einem anderen Kontext, dass Ellington ein, wenn nicht sogar DER Leader ist.

Vielleicht nicht ohne Grund haben die Titel keine richtigen Namen, sondern werden nur als „Parts“ bezeichnet, denn in solche kann man das Album auch thematisch gut unterteilen. Für mich habe ich drei Hauptthemen entdeckt, ob es nun damit zu tun hat, dass der Albumtitel aus drei Wörtern besteht, weiß ich aber nicht. Teil 1 besteht lediglich aus dem ersten Track: Ein selbstbewusster Bass eröffnet den Song und das ganze Album, ein buschtrommelmäßiges Schlagzeug unterstützt ihn dann, bevor die Bläser erst vorsichtig, dann immer lauter werdend einsetzen. Das nun folgende Muster wiederholt sich immer wieder und wird von Soli zweier Trompeten und einem Baritonsaxophon (ein viel zu unterschätztes Instrument übrigens, wie ich finde) ergänzt. Durch das Schlagzeugspiel muss man nicht viel herumraten, die Phantasie führt einen schnell nach Afrika, sollte dies etwa das „Black“ bedeuten?
Teil 2, bestehend aus „Part II“ und Part III“, gehen nun nicht so bestimmend ans Werk wie der erste Teil. „Part II“ hält sich eine ganze Zeit lang sehr bedeckt, man könnte den Titel für eine etwas ungeschliffene Variante von Henry Manchinis „Hatari!“ halten. „Part III“ wird durch eine einzelne klagende Trompete eröffnet, bevor das Orchester mit einem swingenden Rhythmus zur Hilfe schreitet. Swing, hier ist er auch erst das erste Mal richtig zu hören. Das vorher ernste und nachdenkliche Gesicht scheint sich zu entspannen und blüht richtig auf. „Big Band Jazz“, auf diesem Stück werden als erstes die Klischees der Tanzmusik der Fünfziger erfüllt, und zwar auf verdammt hohem Niveau.
Doch dann: Vorbei ist es mit der Fröhlichkeit. Jetzt kommt der letzte und mit Abstand beste Teil des Albums („Part IV“ bis „Part VI“). Das Orchester ist plötzlich nur noch ganz klein, die spirituelle Gospelsängerin Mahalia Jackson zieht alle Scheinwerfer auf sich. Beim ersten Hören war ich ehrlich gesagt sprachlos, so ergreifend schön ist diese Performance. Wenn Dr. Nihil von seiner Offenbarung sprach, ist sie auch bei mir spätestens bei „Part IV“ eingetroffen. Später im Titel, als sie die Stimme nur noch zum Summen benutzt, besitzt genau dieses Summen noch soviel emotionale Kraft, die viele Sängerinnen noch nicht mal mit den schlauesten Texten entfesseln könnten. Mit „Part V“ kommt dann eine Instrumentalversion des vorigen Titels, mit einer Violine als Instrumentalstimme. Hier zeigt sich, wie schlau Duke Ellington ist, er kann die Theatralik des Vorgängers halten, indem er „einfach“ die Instrumentierung verschärft. Mit der Violine als Ersatz für Mahalia Jackson hätte man auch viel falsch machen können, aber die Art wie sie gespielt wurde – perfekt. Dann aber hören wir wieder die Lady herself: „Part VI“ ist ein Finale (man beachte hierzu die Diskussion zu dem Thema in diesem Thread) wie es kein besseres hätte geben können. Mahalia Jackson scheint direkt mit Gott zu sprechen, den Zuhörer an der Musikanlage außer Acht lassend. Fast schon opernhaft hält sie einen Monolog mit soviel Kraft und Energie, dass es einem schon Angst machen könnte.
Ein wirklich großes Album, welches ich auch gerne mal in einer Liveaufnahme hören würde. Die Unterteilung der Teile ist mir wie gesagt selbst in den Sinn gekommen, vielleicht ist das auch nur eine subjektive Empfindung. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass „Black, Brown and Beige“ aber in der Tat eine Art Konzept darstellt, dass das Leiden der Schwarzen unter der Sklaverei thematisiert (wenn ich mich recht erinnere). Falls jemand mehr weiß: Dafür ist dieser Thread da. Ansonsten kann ich mich nur noch Dr. Nihil anschließen: Dieses Album ist eine Offenbarung! Wer es noch nicht kennt, sollte dies schleunigst ändern.

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