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und nun, zum meiner „the black saint and the sinner lady“, von charles mingus:
ich bin nicht sehr musikalisch. ich spiele kein instrument, ich kann nicht singen und bin froh, wenn ich eine trommel von einer harfe unterscheide. doch trotz dessen habe ich schon immer ein faible für bass-spieler, kontrabassisten und alles, was mit gezupften, tiefen tönen zu tun hat, gehabt. ich vermute, so an charles mingus gekommen zu sein. genau kann ich das nicht mehr sagen. doch beim ersten hören musste ich feststellen, der kontrabass spielt eine untergeordnete rolle. viel markanter sind die bläser. jeglicher art. und das piano.
(an dieser stelle wäre es ganz angebracht, aufzulisten welche instrumente überhaupt eigesetzt werden, und von wem sie gespielt werden. das muss dann einer von euch übenehmen. meine cd ist unterwegs im auftrag ewiger jungend und glückseligkeit ;))
doch die bläser sind es, die es mir in diesem fall angetan haben. wie sie zu beginn langsam einsetzen und den hörer, zuerst sich noch ganz harmonisch steigernd, an das heranleiten, was später auf ihn zukommt, ist fantastisch. doch das ist, allein schon per definition, erst der anfang!
ab ca. der hälfte von „track a – solo dancer“ fangen die wege nämlich an, sich zu trennen. jedes instrument scheint seinen eigenen weg einzuschlagen. seinen eigenen text loswerden zu wollen.
der fight beginnt. „track b – duet solo dancers“. ruhig, aber verbittert. die anfängliche harmonie ist verflogen. schlimmer noch. es bricht ein unwetter über den hörer hinein. in kakaphonischem zusammenspiel fangen die instrumente zu sprechen an, dass man das gefühl hat, sie verstehen zu können. das ist mein lieblingsteil dieser platte. wild und nicht von dieser welt streiten sich trompeten und tuba. grossartig! doch wie in der natur so üblich, flacht jeder sturm einmal ab, und so nähert sich auch track b dem ende.
„track c – group dancers“ knüpft jedoch dort an an, wo track b aufgehört hat, nur zärtlicher, am piano. diese zärtlichkeit wird begleitet von einer temperamentvollen, spanischen gitarre. doch all die zärtlichkeit und leidenschaftliches temperament sollen sich nicht durchsetzen. das düstere gewinnt. peut a peut steigert es sich hoch zu einem massiven gebilde. man meint, „the black saint…“ ginge dem ende entgegen.
doch in „track d – trio and group dancers“, dem 18:36 min -monster, wird alles, was man bisher erfahren, er- und durchlebt hat, noch einmal zusammengefasst. man trifft alte freunde und bekannte, die kakaphonien, die spanische gitarre und am piano gewährt sich der meister sogar selbst ein kleines solo. bis es zum schluss richtig swingend den eindruck erweckt, irgendwie wird doch alles gut, trotz fundamentaler unterschiede und gegensätze.
dies ist knapp zusammengefasst, wie ich das album „sehe“, welche bilder sich mir beim hören erschliessen. ich kann nur raten, welche aussage charles mingus 1963 damit treffen wollte und ob.
ich scheine jedenfalls in etwa einer meinung zu sein, wie roger willemsen, der bei zweitausendeins folgendes schreibt:
Ich hörte sie zum ersten Mal im Keller eines Londoner Gerümpelladens und erinnere mich, dass ich mich lange nicht von der Stelle rührte, fassungslos, dass es solche Musik gibt. Nachdem mir der Verkäufer den Titel genannt hatte, ließ ich alles stehen und liegen und ging mein erstes Mingus-Album kaufen. Nichts zum Tanzen und Swingen, keine nette Platte, aber ein wunderbares, wildes Ungeheuer
(dafür, dass roger willemsen in londoner kellern rumlungert, kann ich nichts!)
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