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Kentucky Colonels – Kentucky Colonels
Endlich. Irgendwann musste es ja einmal so weit sein. Der erste Fehlkauf! Lesen müsste man können. Dann hätte ich auch mitbekommen, dass die Kentucky Colonels eine reine Instrumental-Band sind. Und so wartete ich geduldig die erste Nummer ab, auch noch die zweite. Bei der dritten Nummer skippte ich weiter, und immer weiter. Nichts. Kein Gesang zu hören. Bevor ich die CD wutentbrannt mit der Begründung „Fehlpressung: Gesangsspur fehlt!“ zurückschickte, las ich dann doch noch einmal nach. Und siehe da: keine Fehlpressung. Die Colonels haben einfach keinen Sänger, was dem ganzen eine gewisse Logik gibt, mehr jedoch nicht reicht. Das, was mich bisher an den vorgestellten Alben begeisterte, sind die feinen aber auch sehr wirkungsvollen Nuancierungen in einem relativ restriktiven Genre wie dem Bluegrass. Das Instrumentarium ist von geringen Abweichungen abgesehen klar vorgegeben, so dass das Charakteristikum der einzelnen Band sich über die Eckpfeiler Songauswahl, Arrangement und Art des Gesangs definiert. Wenn nun einer dieser Pfeiler fehlt, wird das ganze Gebilde ziemlich einsturzgefährdet. Kein High Lonesome Sound, kein wunderbarer Wechselgesang á la Seldom Scene, keine rotzigen Lead Vocals wie bei den Dickel Brothers oder der Old Crow Medicine Show.
Die instrumentalen Fähigkeiten der Band um die Gebrüder Roland und Clarence White sind top, keine Frage. Die Auswahl der Nummern ist stimmig, aber wie um alles in der Welt kann man auf die Idee kommen, einen so schönen Song wie „I’m A Pilgrim“ nur instrumental darzubieten? Die wunderbare Version der Byrds, bei denen Clarence White später Mitglied war, dürfte vielen bekannt sein. Man stelle sich das mal ohne Gesang vor.
Sollte nun jemand dieses Album besitzen, dürfte sicher der Einwand kommen, dass bei zwei Nummern doch Gesang vorkomme, so ist das zum Einen richtig und zum Anderen genau so falsch.
Kurz zur Aufklärung: bei dem selbstbetitelten Album handelt es sich um eine 1973, nach dem tragischen Tod von Clarence White, erschienene Widerveröffentlichung des Debütalbums „Appalachian Swing“ aus dem Jahre 1964. Dabei wurden dem Original zwei Songs hinzugefügt, die Gordon Lightfoot-Nummer „(That´s What You Get) For Lovin’ Me“ und ein Song unbekannter Herkunft namens „Ballad Of Farmer Brown“, die aber ganz eindeutig aus späterer Zeit stammen, worauf nicht nur die übrigens sehr schönen Vocals hinweisen, sondern auch das Bluegrass-untypische Schlagzeug. Überflüssig zu erwähnen, dass es die beiden besten Tracks sind.
Über die wirkungsgeschichtliche Bedeutung der Colonels und der Einfluss von Clarence White auf Bluegrass-/Country-/Countryrock-Gitarristen könnte ich nur selbst angelesenes wiederkäuen. Geschenkt. Nächstes Album.
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What's a sweetheart like me doing in a dump like this?