Re: Thomas Dybdahl

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gastrisches_greinen

Registriert seit: 19.09.2005

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Nach Hause gekommen aus einer kalten Herbstnacht, ein wenig aus dem Gleichgewicht von dem Alkohol, ein wenig melancholisch von der Einsamkeit, die einen daheim empfängt. Die plötzliche Stille, das noch Nachhallen des Abends in der Gesellschaft von Freunden, ein leises tiefes Ausatmen. Dybdahls neues Album ist wie ein Freund in diesen Stunden. Es umfängt einen warm mit den Streicherklängen, Dybdahl wispert, seine Stimme klingt sanft, sie klingt intensiv und man schließt die Augen. Das Album ist wie ein langsamer trauriger Tanz, Melancholie, die sich aber nicht zu selbstgefällig selbst in die Arme schließt.

Hat er jemals so sehr den Soul gesungen, wie auf „U“? Zu dieser herrlich im Hintergrund schnurrenden Hammond-Orgel, dem improvisierenden Piano, dem Gospelchor im Hintergrund. So fein und zart arrangiert, so fesselnd in dieser intimen Reduziertheit.

Dybdahls Stimme klingt über weite Strecken dunkler und reifer als auf den Alben, die ich bisher von ihm kannte. Und sie ist berührender, intensiver geworden. Die Tracks sind sparsam und wirkungsvoll instrumentiert und auch die Streicher wirken nie üppig, sondern untermalen die Stücke eher atmosphärisch, sind von getragener, flirrender Schönheit, die fast etwas hypnothisches, schlafwandlerisches hat. Einzig der Eröffnungstrack „Something real“ fällt ein wenig aus dem Rahmen mit den fast schon exzessiven Saxophonklängen zum Abschluß. Ansonsten ist das Album manchmal fast dem Verstummen nahe in dieser Ruhe, die es ausstrahlt.

„Don’t let this man go down tonight“ singt Dybdahl auf „B a part“, dem vorletzten Stück, zu den aufhellenden, tröstenden Klängen der Lapsteel, im Hintergrund ein Frauenchor, eine Chanteuse fängt kurz an zu Lachen. Die Traurigkeit wird aufgefangen und aufgelöst und mit „Everybody knows“ endet das Album dann in einem sanften Duett. „I don’t believe in miracles, I don’t believe in faith“, singt Dybdahl gemeinsam mit seiner Partnerin, und auch nicht an Gott, keine großen transzendentalen Hoffnungsspender helfen, wenn die Nächte kälter werden. Es ist die einfache körperliche Anwesenheit des Geliebten, die die Traurigkeit auflöst, das Sich-Umfangenhalten. Es ist ein ganz diesseitiger Soul, der das Album durchzieht.

„Science“ ist ein großes Album geworden. Es ist von tiefer und berührender Schönheit. Und in diesen kalten einsamen Nächten spürt man sie vielleicht am intensivsten. Und man bleibt ein wenig traumbefangen zurück, ein wenig entrückt und um ein kleines Stück glücklicher. ****1/2