Re: Jazzbücher

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Teil 2:

1951 vollzieht Pannonica einen dramatischen Bruch in ihrem Leben: Schon seit Jahren dem Leben als Diplomatengattin und Rothschild-Erbin mit vor allem repräsentativer Funktion überdrüssig, trennt sie sich von ihrem Mann und auch weitgehend von ihren Kindern, zieht nach New York in eine Hotelsuite und sucht die Nähe von Jazzmusikern. Dieser Schritt entfremdet sie zwar mehr und mehr von ihrer Familie, gleichzeitig ermöglicht ihr aber gerade der Reichtum der Rothschilds überhaupt erst, dieses Leben zu führen.

Auftritt Thelonious Monk: Panonnica unterhält Freundschaften und Bekanntschaften mit zahlreichen vor allem afro-amerikanischen Musikern, darunter Teddy Wilson, Charlie Parker und Art Blakey, eine ganz besonderes innige Beziehung entwickelt sich aber zwischen ihr und Thelonious. Als Panonnica ihn kennenlernt ist er ein zwar als genial geltender aber erfolgloser Pianist, der seine cabaret card verloren hat, deswegen in New York nicht auftreten kann und dessen Platten wie Blei in den Regalen liegen. Thelonious‘ Persönlichkeit ist geprägt durch sein exzentrisches Verhalten: Er ist nicht willens oder fähig sich dem Lebensrhythmus seiner Umgebung anzupassen, schläft, wann und wo er will, spricht kaum und ist an nichts als seiner Musik interessiert. Sein Drogenkonsum verstärkt diese Absonderlichkeiten nur noch.

Pannonica jedoch vergöttert Thelonious! Sie hilft ihm bei der Wiedererlangung der cabaret card, kauft ihm ein Klavier und hilft ihm und seiner Familie immer wieder aus der Patsche, was wohl öfter nötig ist, da Monks Ehefrau Nellie, die als Angestellte der Stadtverwaltung für den Lebensunterhalt der Monks sorgt, damit schlicht überfordert ist. Mt der Zeit werden Pannonica und Thelonious unzertrennlich.

Wie kann man dieses Verhältnis zwischen Pannonica und Thelonious interpretieren? Hannah Rothschild spekuliert darüber, vermeidet aber eine eindeutige Bewertung. Man könnte von der symbiotischen Beziehung zwischen einer Millionenerbin, die ihrem goldenen Käfig zu entkommen versucht, und einem mittellosen Künstler, der ausschließlich tut, was er will, interpretieren. Verkörpert Thelonious für Pannonica die Idealvorstellung des edlen Wilden, der frei und unabhängig nur seiner eigenen Natur folgt? Oder ist es eine Art Co-Abhängigkeit mit Monk als hilfsbedürftigen verrückten Genie, das alleine nicht existenzfähig ist und Pannonica, die ihr Leben mit Sinn füllt, indem sie es ihrem Idol widmet? Oder ist es die tiefe Freundschaft zweier gesellschaftlicher Außenseiter, einerseits Pannonica, die Jüdin, die selbst in ihrer eigenen Familie das schwarze Schaf ist, andererseits Thelonious, afro-amerikanischer Musiker, der selbst in der Jazz Szene als Spinner gilt? Man muss sich vor Augen führen, was für extrem unterschiedliche Menschen Pannonica und Thelonious Monk sind: Millionenschwere Baroness aus altem europäischen Geldadel trifft mittellosen afro-amerikanischen Jazzmusiker. Wie groß ist die Chance, dass sich ausgerechnet diese beiden Menschen treffen und dass sie auch noch eine enge Beziehung miteinander eingehen?

Als sich mit zunehmenden Alter Thelonious‘ körperlicher und psychischer Zustand verschlechtert, er gesundheitliche Probleme hat und in Lethargie und Depressionen versinkt, nimmt Panonnica ihn schließlich in ihrem Haus in New Jersey auf, in dem sie ansonsten alleine, jedoch mit hunderten (!) von Katzen lebt. Thelonious Frau Nellie besucht ihn am Ende nur noch selten. Auch das Verhältnis zwischen Nellie und Pannonica ist wohl ein ambivalentes.

Thelonious stirbt 1982 im Haus von Pannonica, Pannonica selbst stirbt 1988. Ihre Asche wird zur Musik von ‚Round Midnight um Mitternacht in den Hudson River gestreut.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)