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In den zwei ersten Jahren des Horace Silver Quintets entstanden vier tolle Alben – ich glaub man könnte erfolgreich argumentieren, dass diese zu den besten von Silver überhaupt zählen, aber dazu später mehr.
Die ersten beiden Sessions entstanden im Juli 1966 für Epic; mit einer leicht variierten Jazz Messengers Besetzung nahm Silver am 17. Juli den grösseren Teil des Albums auf: Art Taylor sass am Schlagzeug und natürlich war nicht mehr Dorham sondern Donald Byrd an der Trompete. Die Richtung wird schon deutlich hörbar – groovig-einfache Stücke, aber auch wunderbare Balladen (die „walking ballad“ sollte eine Spezialität Silvers werden) wie „I’ll Know“ von Frank Loesser, die mitreissenden Grooves von „To Beat or Not to Beat“ und die Latin Rhythmen im Thema von „The Night Has a Thousand Eyes“. Das langsame titelgebende „Silver’s Blue“ dagegen scheint eher von einem Mobley-Album zu stammen… dieses Stück, „To Beat…“ und die Gershwin-Ballade „How Long Has This Been Goin‘ On?“ (auch das zog sich noch durch ein paar Alben: eine Standard-Ballade, sorgfältig ausgewählt und arrangiert) enstanden am 2. Juli mit Joe Gordon und Kenny Clarke anstelle von Byrd und Taylor. Gordon zu hören ist natürlich wie immer eine Freude, es gibt ja viel zu wenig Aufnahmen von ihm!
Mit „Six Pieces of Silver“ entstand dann – wie im ersten Post erwähnt – der erste Klassiker. Noch immer in der Messengers-Besetzung aber schon mit dem neuen Drummer Louis Hayes, der einen grossen Unterschied macht! Stücke wie „Cool Eyes“ und besonders „Señor Blues“ demonstrieren perfekt die ausgefeilte Kunst von Silver: mitreissende, oft nur auf den ersten Blick einfache Grooves, durch die Arrangements gegebene Strukturen (etwa arrangierte Interludes zwischen den Soli oder sich wiederholende rhythmische Motive) – diese Mischung aus Organisation bei trotzdem maximaler Funkiness, die macht Silvers Musik so herausragend. Wunderbar auch die beiden Piano-Features „Shirl“ und der einzige Standard des Albums, das abschliessende „For Heaven’s Sake“! In Silvers eigenem Spiel erkennt man denselben Sinn für Struktur und Organisation, wie z.B. John Lewis ist er in der Lage, den scheinbaren Widerspruch zwischen „free blowing“ und stark strukturiertem Spiel mühelos zu überbrücken.
Dieses Album war schon ästhetisch ein Schock: in ganzer Grösse ein farbiges Bild von Francis Wolff auf dem Cover, sowas hatte es bei Blue Note noch nicht gegeben! Silver war ein Star! Die Band hatte sich personell etwas verändert: Art Farmer und Teddy Kotick übernahmen von Byrd und Watkins. Farmer und Mobley bildeten ja auch auf „Hank Mobley Quintet“ ein tolles paar, und auch hier passen sie perfekt. Farmers Lyrizismus ist wohl genauso satt und perfektioniert wie der von Byrd, aber sein Ton ist doch nuancenreicher, seine Soli spannender. Die Musik wird zunehmend spannender, was die Strukturen betrifft: 16-taktige Form mit 8-taktiger Bridge in „The Back Beat“, Blues mit Bridge in „Soulsville“ (eins meiner Lieblingsstücke von Silver), 15-taktige Form mit 16-taktiger Bridge in „Metamorphosis“… dazu wieder ein wunderschöner Standard zum Ende: „My One and Only Love“ (dasselbe Arrangement übrigens, das die Messengers auf der Session mit Rita Reyes gespielt haben). Zentral für den Erfolg der oft vertrackten Musik ist Louis Hayes, der „on top of the game“ agiert, die Rhythmische Komplexität scheinbar mühelos beherrscht – das machte ihm bei Silver keiner nach!
Leider ist dies die letzte Zusammenarbeit von Silver und Mobley.
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