Re: Nirvana, "Nevermind"

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ah-um

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Nur so ’ne Idee: Wenn die Pixies und Sonic Youth MTV gerockt hätten und stattdessen Nevermind als Kritikerliebling und Bescheidwisserplatte geendet wäre, würde die Diskussion hier wohl ganz anders verlaufen. In Hipster-Kreisen ist das halt so eine Sache mit dem Mainstream-Erfolg. Hätte z.B. Nick Drake den kommerziellen Erfolg gehabt, den er suchte, würde er heute wahrscheinlich direkt neben James Taylor in der Liste der uncoolen Leute stehen.

Nevermind ist natürlich ein monströs gutes Rock-Album. Fast durchweg hervorragende Songs, klar und auf den Punkt produziert und trotzdem ständig in erregender Nähe zum Chaos.
Übermäßig innovativ war das Ganze sicher nicht. Aber man sollte es nicht gegen die Platte verwenden, dass sie offenbar – wohl eher zufällig – einen Zeitgeist-Nerv getroffen hat. Und natürlich kann man sie nicht für mittelmäßige Mucker wie Pearl Jam zur Verantwortung ziehen.

Das mit dem „Zurückbringen des Rock-Sounds“ ist schon an sich ein zweischneidiges Lob. Abgesehen davon ist Nevermind bei aller Brachialität weit von breitbeinigem Rockisten-Posertum entfernt. Die Depression lugt aus jeder Ritze. Zur Großartigkeit dieser Platte gehört, dass sie diese Seelenpein nie mit jener stilisierten Selbstmitleidigkeit und dem selbstgefälligem Kunst-Gestus darbietet, die so viele Post-Punk- und Indie-Platten verschandeln (und übrigens auch In Utero, auf der die Angst Cobains vor dem Mainstream leider wieder deutlich zu hören ist).

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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)