Re: Rahsaan Roland Kirk

#2004343  | PERMALINK

katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

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Ich habe mich mit Kirk noch nie besonders beschäftigt, kann aber nicht sagen, dass er seine Musik irgendwie besonders zur Schau stellt und dabei entweder keine Jazz-Roots hatte oder diese in irgendeinem Maße verleugnete. Auch hier traf der Reiz des Neuen offenbar auf ein paar taube Ohren, die das nicht auf sich sitzen lassen konnten, sondern dann gleich dagegen wettern mussten. Meine Güte.

Irrsinnig finde ich die Entstehungsgeschichte seiner Musik. Offenbar hatte er einen Traum, in dem er vom simultanen Spiel auf drei Instrumenten gleichzeitig träumte, was ihn am nächsten Tag zum Besuch eines Musikalienhandels veranlasste. Aus Geldmangel hat er dann offenbar ein Stritch sowie ein Manzello mitgenommen. Absolut spannend ist dann auch seine Technik, bei der er drei Instrumente dann tatsächlich gleichzeitig spielen konnte. Besonders hervorzuheben ist dann noch, dass er diese Instrumente nach einem Schlaganfall tatsächlich mit nur einer Hand spielen konnte.
Kirk selbst war offenbar sehr in der Jazz-Tradition verwurzelt, auch wenn es mir schwer fällt, Referenzen anzugeben und war irgendwie in jeder Stilart zu Hause. Toll ist jedenfalls, dass er die Musik intuitiv umzusetzen vermochte, die sich zuvor in seinem Kopf abspielte. Was dabei rauskam ist mehr als reine Effekthascherei, sondern mitreissende und emotionale Musik.

Ich kenne nicht viel von ihm, aber ich schätze ihn sehr für seine Beiträge auf der großartigen „Out of the afternoon“ von Roy Haynes für Impulse. Haynes selbst hat selten so druckvoll und perkussiv gespielt, wie bei dieser Session und beide zusammen zaubern einen unheimlich spannenden Klangteppich.
„We free Kings“ ist dann mein absoluter Liebling unter den Leader-Alben, da Kirk einerseits noch sehr klassisch musiziert, auf der anderen Seite aber einen deutlichen Personalstil zeigt. Die Effekte stehen allerdings noch deutlich im Hintergrund, aber es ist umso toller, wenn er dann auf „You did it“ richtig loslegt. Die Band um Wyands und Persip ist auch große Klasse.
Als nächstes würde ich wohl auch „Rip, Rig and Panic“ nennen, einige Jahre später, aber irgendwie auch back to the roots. Die Band ist absolut großartig (umgekehrt kenne ich die Byard-Aufnahmen mit Kirk nicht) und zwischen Modaler Musik, Dixieland und Free Jazz ist irgendwie alles dabei. Dabei hören sich die vertrackten Kompositionen fast luftig an und auch hier steht die Show eindeutig hinter der Musik.
Die nächste großartige Band ist dann auf „Domino“ zu finden. Hancock und Haynes passen wiederum perfekt. Die Musik lebt sehr von der dichten Atmosphäre durch die Drums und Hancock’s Stil mutet leichter an, als der von Byard, aber die Musik ist trotzdem kompliziert und irgendwie sog-artig. Hier setzt Kirk etwas mehr auf Effekte, dafür findet man hier großartige Momente auf dem Tenor. Irgendwie hätte das Kirk’s Blue Note sein können.
Auf der CD-Reissue gibt es wohl Liveaufnahmen u.a. mit Andrew Hill.

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III