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@ Sebastian Frank
War gerade in London und habe rund 60 (neue) 7″Singles mitgebracht, alle noch mit (removable) Price-Tag. Ein kurzer Check ergab folgende Preis-Staffelung: ca. 10% kosteten 0.99, 10% 1.49, 30% 1.99, 20% 2.49, 20% 2.99 und je 5% 3.49 bzw. 3.99. Alles in Sterling. In Euro also zwischen ca. 1.50 und 6.00, ein enormes Preisgefälle. Übrigens völlig unabhängig von der Ausstattung. Unter den 0.99-Singles sind etliche dabei, die mit Foldout-Sleeves aufwarten oder mit Reliefdruck, unter den 3.99-Singles gibt es auch Standard-Sleeves.
Erklären läßt sich diese scheinbare Ungereimtheit freilich schon. Zum ersten mit der Auflage: läßt man 5000 Stück pressen, halbiert sich der Preis pro Platte im Verhätnis zu einer 1000er Auflage. Entscheidender aber für die Label-Kalkulation ist, welche Rolle dem jeweiligen Single-Release zugewiesen wird. Labels, die mit allen ihren Veröffentlichungen Geld verdienen müssen und nicht auf Airplay schielen, verkaufen ihre 7incher nicht unter 2.99. Labels, die Single-Releases als Marketing-Tools und Schub für die Band-Fan-Bindung sehen, aber nicht draufzahlen wollen (können), verkaufen zwischen 1,99 und 2.99. Dort ist der Break-even angesiedelt, je nach Auflage und Aufmachung. Schließlich gibt es die (gewöhnlich größeren) Labels, die mit limitierten Auflagen und VKs unter ihrem Herstellungspreis arbeiten, also Verlust machen, um zu erreichen, daß die Single sofort nach Release abverkauft wird. Mit diesen Verkäufen in der ersten Woche erzielen sie einen höheren Charts-Einstieg, sukzessive mehr Airplay und Medienaufmerksamkeit für ihren Act und daraus resultierend bessere Album-Umsätze. Mit denen dann wieder richtig verdient werden kann. Ein Usus, der im UK dazu führt, daß selbst solche Singles, die es so in die Top-10 schaffen, nach drei oder vier Wochen bereits die Top-75 wieder verlassen haben. Eine andere Folge betrifft den Sammlermarkt: diese Singles werden, weil sie innerhalb weniger Tage ausverkauft sind, zu instant collectors items.
All das betrifft die Exemplare, die in den Export gehen, nicht. Tatsächlich haben viele Labels wenig Interesse an Sales außerhalb des UK, weil diese nicht für die UK-Charts zählen. Natürlich kaufen die Exporteure dennoch auf, was sie kriegen können. Zum Teil zu schlechteren Konditionen als sie aus den genannten Gründen UK-Retailers eingeräumt werden. Das treibt den Preis zuweilen nicht unerheblich hoch. Hinzu kommen natürlich erhebliche Fracht- und Nebenkosten. Und eine Gemischtkalkulation, die „billige“ Singles leicht verteuert, um „teure“ Singles etwas günstiger anbieten zu können. Am Ende zahlt man hier, je nach Laden, zwischen € 5.00 und 6.50 (es verdient ja, nicht zu vergessen, mit dem Exporteur im UK noch eine Instanz mehr mit) – sehr zivil, alles in allem.
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