Re: Rammstein

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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nail75Ich mag hymnische Musik. Die Stimme ist definitiv ein Problem, aber vor allem stört mich die Art des Gesangs. Ein Freund meinte mal, die Stimme des Sängers sei für ihn der Inbegriff der maskulinen, deutschen Stimme – ich habe ihn nur verständnislos angestarrt. Das ist für mich nur primitives Gegrunze.

Da würde ich Deinem Freund sogar beipflichten. Die Stimme beeihaltet schon diesen „lieber stehend sterben“-Unterton (warum kommt mir jetzt ausgerechnet eine Szene aus „Die Ritter der Kokosnuss“ in den Sinn…).
Wir sprachen ja erst kürzlich um das Metall typische „Gegrunze“ (bzw. Gekreische, Gebrüll etc.) und Du kennst meine Meinung dazu. Genauso sollte wohl bekannt sein, dass ich auf Stimmen besonders großen Wert lege. Neben dem „Wohlklang“ zähle ich „Glaubwürdigkeit“ und „Rythmusbetonnung“ zu den wichtigsten Punkten. Und zumindest die beiden letzten Punkte finde ich im Gesang Lindemann’s wieder und bei den Rammstein’schen Balladen („Nebel“ ist doch ein ganz wundervoller Song, kennst Du den ?) finde ich auch eben diesen Wohlklang wieder. Auch wenn viele Songs eher auf das Köpfekreisen im Pogowahn abzielen, so finden sich immer wieder auch durchaus interessante Perlen, die Rammstein von einer fast schon weichen Seite zeigen (was von Album zu Album deutlich zunahm). Das mag dann einigen zu theatralisch sein (vielleicht treffender als hymnisch), die ganze Musik aber als bloßes Gegrunze abzutun halte ich dennoch für ungerechtfertigt. Und ich sprach es ja bereits an: Für mich sind die Texte z.T. durchaus herausragend (freilich, zumeist abseits der Hitsingles (was aber bei den meisten Bands so ist)). Ein schlichter Rocker eignet sich eben besser für die Jugend in bashinglaune als ein womöglich kritischer, gar regelrecht komplexer Text, der unterschiedlich auslegbar ist. Wobei ich bspw. „Rosenrot“ als Song durchaus gut finde, da ist nicht abgedroschen (gut, der Refrain hätte etwas limitiert werden können), nichts abgenudelt – alles in allem ein feiner Text, die musikalische Untermalung ist ebenfalls akzeptabel (auch wenn der Höhepunkt ausbleibt – was dem Text aber auch irgendwie dienlich ist). Oder man nehme meinen Favorit von „Reise Reise“. Textzeilen wie

Der Vater hält das Kind jetzt fest
Hat es sehr an sich gepresst
Bemerkt nicht dessen Atemnot
Doch die Angst kennt kein Erbarmen
So der Vater mit den Armen
Drückt die Seele aus dem Kind
Diese setzt sich auf den Wind und singt:

sind in Kombination mit der tragisch-verstörenden Musik überaus eindringlich, leichte Gänsehaut kommt auch auf. Und auf der emotionalen Ebene erreicht mich im Prinzip jeder Rammstein Song mehr als das ich bisher aus dem Hause Tocotronic, EOC, Blumfeld etc. zu hören bekam (allerdings noch wenig, aber immerhin). Weil mich die Texte eben ansprechen, weil ich die Betonnung gelungen finde, ja, vielleicht auch weil ich gelegentlich mal eine heftige Gitarre brauche (Monotonie auf Albumlänge ist nur sehr selten spannend).

nail75Aber eigentlich stört mich alles: Das Auftreten, der gesamte Habitus, die Themen, die Texte, die Musik als Ganzes, damit kann ich überhaupt nichts anfangen.

Weil Du eben mit Metal generell nichts anfangen kannst, Daniel. Und da gäbe es doch auch kein Problem, die Metaller hier im Forum sind definitiv in der Minderheit. Aber stat diesen Umstand einzuräumen (nicht auf dich bezogen), werden z.T. (!) aus den Haaren gezogene Beispiele aufgeführt warum-ich-das-nicht-mögen-kann oder warum-ich-das-nichtmal-mögen-darf.

nail75Aber das ist auch nicht überraschend: Die Band polarisiert massiv, seit Anfang an. Es gab mal ein Musikmagazin (ME?), das stellte eine vernichtende und eine lobende Kritik direkt nebeneinander.

Stimmt, da scheint es kaum einen „Mittelweg“ zu geben.

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Hold on Magnolia to that great highway moon