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Steve Kuhn Trio – Watch What Happens! | Das Fontana-Cover – klar! Aus dem Staubkeller von Bob Thiele ins Wohnwandwohnzimmer von Hans-Georg Brunner Schwer, mit Familienaufstellung fürs Rückcover der Foldout-Hülle: Papa Steve Kuhn auf dem Gartenstuhl, die vergnügen Söhne Palle Danielsson und Jon Christensen grinsend daneben. Das Album gab es neulich in Japan auf CD wieder und so läuft es jetzt auch, zum zweiten Mal nach gestern spät. Aufgenommen wurde die Platte am 4. Juli 1968 im MPS Tonstudio in Villingen, sie öffnet mit Michel Legrands Titelstück, beschwingt, aufgeräumt, Kuhn mit einem schlanken, überzeugenden Drive, das alles klingt schlank und elegant – und ist in weniger als drei Minuten auch schon vorbei, Pop-Song-Format. Noch kürzer ist das erste Original „Silver“, eine Miniatur-Rubatoballade mit minimalen Akzenten von Bass und Drums.
Erst in „Lament“, dem Klassiker von J. J. Johnson denke ich kurz an Bill Evans, von dem Kuhn sich hier schon ziemlich emanzipiert zu haben scheint. Das Stück fliesst in Gary McFarlands „Once We Loved“ mit Bossa-Beat über – dem Kollegen, mit dem Kuhn 1966 seine zweite Scheibe unter Thiele aufgenommen hatte, das Album vor diesem hier. Mit dem Filmthema von „Tom Jones“ (1963) endet die erste Seite, hier führt Kuhns Solo über repetive Riffs in Cluster und sogar ins Atonale, während Danielsson/Christensen immer mehr aufdrehen, aber das dem Stück zugrunde liegende Riff nie verlassen. Ein Durchbruch, ein Ausbruch wie es ihn bei Kuhn kaum je zu hören gibt. Am Schluss der knapp sieben Minuten vokalisiert jemand das Bass-Riff mit, das nahtlos überleitet in Seite 2, natürlich mit Fade-Out und dann Fade-In. Berendt bemerkt in seinen Liner Notes, wie fast alles am Stück und in First Takes aufgenommen sei, hier ging das vielleicht wirklich nahtlos weiter? Seite zwei enthält drei Stücke, die gleich wieder die Breite von Kuhns Programm zeigen: Bacharach zum Einstieg mit einem Medley von „Windows of the World“ und „Here I Am“, dann eine freie Version der Ballade „I Fall in Love Too Easily“ und als Closer eine neunminütige Version von Carla Bleys „Ad Infinitum“. Hier gibt es eine Art musique concrète Intro mit Gebrüll, bevor das Trio in einen smoothen Groove fällt, über den Kuhn das Thema vorstellt. Das ist zunächst ruhig, melodisch, minimalistisch – doch dann rifft das Trio los und dreht weiter, immer weiter. Die Hektik von Zeitlin fehlt hier völlig, das ist quasi tiefenentspannte Eskalation … und ich denke hier tatsächlich auch mal einen Moment lang an The Necks. Dann setzt Kuhn aus und die skandinavischen Kollegen improvisieren gemeinsam (wo fängt deren Zusammenspiel eigentlich an, die wirken hier schon total vertraut … an den zwei Tagen direkt davor begleitete das Trio jedenfalls Lee Konitz, Leo Wright, Pony Poindexter und Phil Woods für das MPS-Album „Alto Summit“, das mit derselben Sendung aus Japan wie „Watch What Happens“ vor ein paar Tagen hier eingetroffen ist). Ein tolles Album – ganz und gar die erhoffte Entdeckung!

Die US-Ausgabe gab es bei Prestige, da wird der freche Beckenhalter vom Familienfoto visuell zum Leader:

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba