Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Steve Kuhn – Three Waves | Die letzte Runde von 1966 – ohne exaktes Datum. Nach einem Konzeptalbum von 1963 mit Gitarre, Drums, doppeltem Piano (Toshiko) und doppeltem Bass, ist dieses zweite Album vielleicht das Album, mit Kuhn dem Kuhn die Richtung findet, in die seine Karriere gehen sollte. So richtig in Gang kommen wollte da wohl nichts, Bob Thiele versuchte es im selben Jahr auch noch bei Impulse mit einem Album mit Gary McFarland, danach folgten 1968 und 1969 Trio-Aufnahmen aus Europa (die zweite auf BYG hat @vorgarten hier erwähnt, die erste auf MPS habe ich ganz frisch aus Japan da und bin gespannt). Und was gibt es hier? Ein Cover, das fast wie ein Scherenschnitt eines beliebigen Bill Evans Trios wirkt, zum Einstieg aber den Themen-Song von Paul Bley, nämlich Carla Bleys „Ida Lupino“ … doch dann geht das in andere Richtungen, findet Mittelwege zwischen den beiden, verbindet Evans‘ Harmonik mit Bleys freieren Richtungen, was mit Steve Swallow und Pete LaRoca (dem Gespann von „Footloose“, das hier ja schon mehrmals Thema war) kein Wunder ist. Kuhn macht mehr Druck, LaRoca ist eh super, laut und aktiv aber immer genau richtig (etwas, was Philly Joe Jones, Evans‘ Lieblingsdrummer, an einem schlechteren Tag nicht schaffte, siehe Elmo Hopes eine „Last Session“) … das hat auch wieder so einen halben Garagen-Sound, und wenn Kuhn im Thema seines „Today I Am a Man“ Evans-Akkorde spielt, ist das schon ziemlich toll: den ganzen Straub und den die Avantgarde aufgewirbelt hat, in den inzwischen zum Hochglanz-Sound (klar ist das irgendwie ungerecht und zu pointiert, aber solche Vergleichen drängen sich beim verdichteten Hören halt wirklich auf – und die Etikettierung ist auch nur bedingt ein Werturteil) gewordenen Evans-Sound reinzutragen. Swallow greift auch mal zum Bogen, die drei brechen Formen und Beat auf, werden aber nicht lyrisch oder impressionistisch, auch wenn der Klaviersound selbst – wenn man ihn sich mal poliert vorstellt – das schon ist … neben den schon erwähnten Stücken gibt es weitere drei Kuhn-Tunes, Al Cohns „Ah, Moore“, einen Musical-Song von 1965, den Barbra Streisand als erste einspielte, dazu „Never Let Me Go“ und das Titelstück von Sergio Mihanovich – aber der verschleppte Slow-Bossa ist lustigerweise das Streisand-Stück (von dem es eine postume Marvin Gaye-Version gibt, die Bobby Scott arrangiert hat, der in diesem Faden ja auch einen Kurzauftritt hat). Vor allem in den Originals erreicht das Trio hier immer wieder ein hohes Energielevel, das Bild der Wellen passt wirklich, denn wie solche prasseln die Akkorde von Kuhn, die sich ständig neu formierenden Rhythmen von La Roca und der wummernd pulsierende Bass von Swallow auf uns ein. Swallow hat hier interessanterweise manchmal Momente, in denen sein Kontrabass sehr nah am Bassgitarrensound ist, den er später entwickelt hat – an dem Sound eben, den er offensichtlich gesucht hat. Ein Highlight ist auch der eine Standard – eine Miniatur in drei Minuten, die aber einen weiten Weg zurücklegt … und darin irgendwie zielstrebiger ist als Bley, wenn der Miniaturen spielt. Das alles finde ich gerade ziemlich toll! (Kannte das Album schon, aber oft lief es noch nicht und schon eine ganze Weile nicht mehr, ich hab die japanische CD von 2017.)

@vorgarten Hast Du das gar nicht angehört oder hab ich das beim Index-Erstellen übersehen (hab gerade nochmal die Seiten mit den 20er-Nummern geblättert und nichts gefunden).

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