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ford-prefect Most of my heroes still don't appear on no stamp
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Norbert Schwefel – Musiker.Mannheim, Cinema Quadrat, Mannheim, 16. Dezember 2025
Am letzten Dienstag besuchte ich das kommunale Programmkino Cinema Quadrat, um mir dort den Dokumentarfilm über den Alternative-Rockmusiker Norbert Schwefel, der im südhessischen Lampertheim aufwuchs und im Mannheimer Jungbusch lebte, von Filmemacher Dieter Wöhrle anzuschauen. Mit zwei Stunden ist der Director’s Cut dieser Doku recht lang ausgefallen. Während der Vorführung saß Regisseur Dieter Wöhrle im Publikum, der nur kurz einen guten Abend auf der Bühne wünschte und anschließend seinen Film für sich sprechen ließ. Nach der Vorführung konnte man mit dem Wöhrle, der früher in der Musikabteilung im Media Markt in Worms gearbeitet hat und seinen Kumpel Norbert Schwefel einst zufällig im Urlaub im indischen Goa kennenlernte, locker ins Gespräch kommen.
Im Jahre 1986 landete Norbert Schwefel, der sich musikalisch im dunkel-narkotischen Post-Punk und New Wave bewegte, mit dem Song „Schizophrenic Party“ einen Szene-Hit, weshalb Schwefel von den Lesern des Musikmagazins Spex zum Newcomer des Jahres 1987 gewählt wurde. Auch die Bravo berichtete über ihn, was der Mannheimer Alternative-Rocker jedoch eher distanziert aufnahm. Der Mainstream war nie das Ziel von Norbert Schwefel gewesen, der sich auch nicht als Post-Punker verstand, sondern sich emotional mit den progressiven Rock-Sounds der 1970er Jahre verbunden fühlte, etwa mit Glam-Rock im Stile von Marc Bolan und T.Rex. In dem Dokumentarfilm, in dem zum Beispiel der Jazz-Schlagzeuger Erwin Ditzner, Söhne Mannheims-Gitarrist Michael „Kosho“ Koschorreck und Indie-Musikerin Barbara Lahr (ehemals De-Phazz) sprechen, sieht man Norbert Schwefel mit seiner Band auf dem hippiesken Finkenbach Festival im Odenwald rocken und mit Guru Guru-Drummer Mani Neumeier, ein Begründer des Finki Festivals, herumalbern. Die Clique um diese Musiker herum fand in den frühen 1980er Jahren in dem alternativen Kulturraum Fabrik in der Zornstraße in Worms zusammen, als Ort ein Schmelztiegel für kreative Freigeister in der Region Rhein-Neckar. An dieser Stelle äußert Norbert Schwefel den denkwürdigen Satz: „Mein Stiefvater riet mir: Du kannst jede Besetzung machen. Nur kein Trio. In einem Trio arbeiten immer zwei Musiker gegen einen.“ Altes Filmmaterial aus dem Archiv zeigt die Schwefel-Musiker in einer Kfz-Werkstatt in Schriesheim industrialmäßig wie die Einstürzenden Neubauten auf Werkzeugen zur Klangerzeugung herumhämmern.
Von 1988 bis 1992 war der Schlagzeuger Ralf Laubscher, den ich bislang lediglich als Chefredakteur des 2012 eingestellten Stadtmagazins Meier kannte, ein Kreativpartner von Norbert Schwefel. In der Doku tragen Laubscher und Schwefel in einem alten Interview coole Sonnenbrillen in einem dunklen Raum. Haben sie wohl gar nichts mehr gesehen. Ein wichtiges Album von Schwefel war 1988 die Platte „Hot in Hongkong“. Darüber hinaus war der Schwefel ab 2003 Veranstalter des von ihm gegründeten Sulphur Sonic Festivals, das am Neckarufer in Mannheim stattfand und Newcomer-Bands aus dem Sektor Alternative/Indie eine Bühne bot. Sulphur ist das englische Wort für Schwefel. Selbst habe ich über Norbert Schwefel, der gegen Ende seines Lebens eine komplette Schwefel-Oper veröffentlichte, ein Portrait für meine Zeitung geschrieben, im Frühjahr 2013. Damals war er bereits so krank, dass ich nur per E-Mail mit ihm kommunizieren konnte. Im Juli 2015 starb Norbert Schwefel mit knapp 55 Jahren an einer neurologischen Erkrankung.
zuletzt geändert von ford-prefect--
Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!