Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

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Paul Bley Trio – Touching | Paul Bley am 5. November 1965 in Kopenhagen mit Kent Carter und Barry Altschul, sowie Annette Peacock und Carla Bley, die drei bzw. ein Stück beisteuern, nebst zwei von Paul Bley selbst. Das ist interessant im direkten Vergleich, da im schnellen Opener („Start“ von Carla) eine recht ähnliche Stimmung herrscht wie bei Solal gerade – doch dann wird in Peacocks „Touching“ alles entschleunigt, der Raum geöffnet nicht bespielt, sondern nur gezeigt und stehen gelassen. Da liegt schon der Keim von dem, was Marilyn Crispell später in „Nothing Ever Was, Anyway“, zur Perfektion brachte. Carter ist nicht wie Gary Peacock überall dabei oder schon da, er haut quasi die Wegpflöcke ein. Es ist Altschul, der in den schnelleren Stücken zum Sidekick und Mit-Solisten wird, nach „Start“ auch wieder in „Pablo“, dem ersten Stück von Paul, mit dem Teil 1 endet. Was mich beim Wiederhören gerade etwas überrascht ist, dass es doch immer wieder Momente gibt, in denen das immer noch recht nah bei Bill Evans ist – etwa die ruhige Passage vor dem Schlagzeugsolo in „Pablo“.

Auf der B-Seite rahmen zwei Peacock-Stücke, „Both“ und „Cartoon“, ein zweites von Paul ein, „Mazatlan“ mit einer Art freiem Latin-Beat. Als Bonus auf meiner CD (der abgebildeten japanischen Ausgabe von 2021 – der Discogs-Eintrag kommt mit falscher Track-Reihenfolge, glaub ich … stimmt jedenfalls nicht mit den Infos der CD überein – wobei auf dem Rückcover eine andere Abfolge steht als im Booklet, an das ich mich halte – verwirrend!) gibt es noch „Closer“ von Carla Bley, das siebte Stück der Session, das nicht auf der LP landete. Das Trio geht auch innerhalb der Stücke oft verschiedene Pfade – vielleicht wird das durch die offenen Ebenen so erst möglich: das ursprüngliche Tempo oder die zu Beginn gesetzte Stimmung ist keineswegs zwingend bis zum Ende eines Stücks einzuhalten – Langsames wird schnell, Ruhiges wird hektisch, Karges wird dicht und das alles kann sich auch gleichzeitig überlagern. Das ist schon toll, ich mag die offene Konzeption total gerne, aber das Album packt mich beim Wiederhören etwas weniger als ich erwartet hatte.

Die späteren Cover-Varianten (Fontana UK, 1969; Trio/Freedom Japan, 1975; Black Lion Europa, 1994):

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