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Dollar Brand – Round Midnight at the Montmartre / Anatomy of a South African Village | Das ursprüngliche Album hat @vorgarten schon beschrieben – ich habe die beiden CDs da auch erwähnt, die das Material chronologisch gruppieren, wie es in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1965 im Jazzhus Montmartre gespielt wurde, im Wechsel mit dem Quartett von Ben Webster. Und die beiden CDs höre ich jetzt mal wieder – seit unserer Enja-Strecke geplant. Das von Ellington produzierte West- bzw. Nord-Debut überspringe ich mal, dafür wäre ich ja eh zu spät. Das hier sind wirklich verblüffend eigenständige und sehr eigenwillige Aufnahmen. Es wird wie wild gerifft, tremoliert, plötzlich bricht Brand aus den Repetitionen aus, rennt davon, findet eine Melodie, doch die verstummt, der Bass übernimmt und Johnny Gertze hat kein Interesse an einem Beat, erst recht nicht, wenn Makaya Ntshoko aussetzt. Und doch ist das treibende, vielleicht getriebene Musik, die pulsiert und eine Richtung hat, selbst da, wo sie an Ort und Stelle zu treten scheint: wenn die drei wieder in eine kleinste Figur aus zwei, drei Tönen, einem scheppernden Akkord und nervösen Beckenschlägen fallen. Oder wenn sie wie in „Tintinyana“ in einen rollenden Groove finden. Sie verlieren sich nie dabei, und das ist ein grosser Teil der Faszination dieser Aufnahmen, die ich gerade mit völlig neuen Ohren entdecke. In den Solo-Stücken bewegt sich Ibrahim gerade so sehr auf eigenen Pfaden – klar kann man Anklänge an Monk oder Ellington hören, aber auch Cape-Grooves, wie es sie sonst damals im Westen nicht zu hören gab. Und zwischen all den harten Akzenten und rollenden Klangwellen tauchen auch Melodien auf, zarte Momente von grosser Schönheit, die sich im Klanggetümmel immer wieder zu behaupten wissen. Neben dem langen, sehr tollen „Anatomy of a South African Village“ gibt es auf der zweiten CD auch einen 20minütigen Track, in dem „Boulevard East“ zwei andere Originals einrahmt, „Sunset in Blue“ und „Easter Joy“. Monk ist mit „‚Round Midnight“ und „Light Blue“ auf der ersten CD vertreten, aber auch der einzige Standard im Programm kommt wohl on ihm, „Smoke Gets in Your Eyes“. Abgesehen von „Tintinyana“ (auf der CD „Round Midnight…“ als „Tintiyana“) sind hier mit „Mamma“ und „Easter Joy“ (aka „Jabulani“) schon ein paar weitere Klassiker vertreten … „The Dream“ und „The Stride“ nahm Brand für „The Children of Africa“ später auch nochmal auf, „Sunset in Blue“ neben „Easter Joy“ und „Tintiyana“ (oder „Tintinyana“, wie ich es mir vor Jahren mal gemerkt hab) auch wieder für „African Piano“.

Die ganze Editionsgeschichte ist mir nicht recht klar hier, aber die LP „Anatomy of a South African Village“ kam 1965 bei Fonata heraus (fünf Stücke, 39 Minuten), 1979 folge in Japan „The Dream“ (1980/81 auch in Europa – sechs Stücke, 36 Minuten), zwei Stücke – „Tintinyana“ und „Honey“ – sind auf beiden LPs. Auf den zwei Black Lion CDs („Round Midnight“ gab es 1988 auch als LP mit zwei Stücken weniger, „Anatomy“ 1992 wohl nur noch als CD) gibt es zwölf Stücke und ziemlich genau 1,5 Stunden … das ist weniger als von Ben Webster, wo drei LPs gefüllt werden konnten, aber natürlich einiges mehr als 1965 herausgekommen ist. Die CD „Anatomy“ vermerkt bei „Smoke …“ vermutlich fälschlich, dass es „previously unreleased“ sei, denn auf „The Dream“ gibt es das Stück auch schon, vielleicht sind das ja auch unterschiedliche Takes? Alles sehr chaotisch … ob die zwei Black Lion-CDs wirklich alle Musik enthalten, weiss ich nicht. Ebensowenig, warum die Liner Notes zu „Anatomy“, die von Charles Fox für die gleichnamige aber bis aufs Titelstück unterschiedlich zusammengestellte LP, auf 1967 datiert werden, wenn die LP laut Discogs 1965 (in den Niederlanden, 1966 im UK, 1974 dann wohl via Freedom weltweit, obwohl bei Discogs keine US-Ausgabe gelistet ist) herauskam.



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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #169 – 13.01.2026, 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba