Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

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Denny Zeitlin – Carnival | Runde zwei, Ende Oktober 1964 mit Charlie Haden und Jerry Granelli – dazwischen lief so einiges, wie Zeitlin in der Einführung zum Mosaic Select erzählt:

I remember bringing the finished LP [„Cathexis“] over to Bill Evans‘ apartment for his critique. I felt emboldened to call him, since he had mentioned my „great“ playing on Flute Fever in a Downbeat Blindfold Test. He loved the trio album, and encouraged me to „keep doing my own thing.“ In this early phase of my recording career, the encouragement of people like Billy Taylor, George Russell and Bill Evans was tremendously inspiring.

The release of Cathexis and the subsequent Columbia LPs opened many doors […]

Zeitlin ging kurz danach für ein Praktikum im San Francisco General Hospital an die Westküste und konnte nie mit McBee und Waits live auftreten oder touren. Erst nach einer Weile in Kalifornien fand er wieder Zeit für Musik und fand Charlie Haden, „whose great sound, time feeling and harmonic anticipation I had admired in his work with Ornette Coleman“, und Jerry Granelli, „a sensitive and innovative local drummer“. Die drei spielten bald jeden Montag im Trident in Sausalito und gaben weitere Konzerte an der Westküste. Das führte zu den Alben „Carnival“, Live at the Trident“ und der ersten Hälfte von „Zeitgeist“: „With Jerry and Charlie, I continued to explore my interest in extended compositions, unusual time signatures, reworking of standards, ‚free‘ improvisation and the challenges of trio interplay.“

Ich zitiere hier mal rasch:

vorgartendie werbeabteilung von columbia nervt. sie scheint auch schon vergessen zu haben, wer bei ihrem longseller KIND OF BLUE auf dem klaviersessel saß. jedenfalls kriegt dort, wer weiß ist und brille trägt, auch eine schöne frau an die schulter montiert. aber auch ohne solche maßnahmen kriegt sich zeitlin spielerisch von bill evans abgegrenzt, er spielt einfach alle schwindlig. karnival heißt hier nicht nur, dass die verhältnisse auf links gedreht werden, sondern auch: schleudertrauma. aber wie toll, dass er den grundsoliden bass von charlie haden an seiner seite hat. und eigen und interessant ist das alles ohnehin. ich verstehe nur die aufregung nicht.

Ich höre hier tatsächlich mehr ruhige Momente als beim Erstling, besonders in den Standards-Bearbeitungen, die ich auch von den Voicings und Stimmungen her sehr ansprechend finde: „We’ll Be Together Again“, „Once Upon a Summertime“ (hier macht er gar nicht viel Besonderes, aber das ist sehr, sehr schön), „The Boy Next Door“ (das Thema wird erst am Schluss so richtig gespielt) und der lange, starke Closer „All the Things You Are“, in dem sich die drei dem Thema behutsam annähern und dann wie Feather feststellt eine Art Variationen über das Stück spielen.

Freies Spiel probieren die drei in „Minority“ von Gigi Gryce aus (schon länger ein Lieblingsstück von Zeitlin), wie in Leonard Feathers Liner Notes erläutert wird: „There is a five-beat feeling to this passage; according to Denny it creates a rhythmic blanket that he found admirable for totally free playing. Later, an acceleration leads into some piano choruses based on Gryce’s original changes. An unaccompanied piano chorus gives way to a bass-piano duet in which the Zeitlin-Haden compatibility is strikingly demonstrated. This duet is based on intervals of a fourth and a major second“.

Aber ja, es gib auch den Krawall und das Schleudertrauma, im Titelstück ganz besonders, das die Geduld schon etwas strapaziert (Feather nennt es „an extraordinary example of programme music“ – ich nehme dann an, das Programm steckt im Titel). Und das Album ist wieder überlang (nur 46 Minuten dieses Mal). Originals von Zeitlin sind neben dem Titelstück auch der Opener, „Carole’s Garden“, mit einem kreisenden Groove, sowie „Skippying“ und „After the War.“ Unterm Strich höre ich hier schon einen recht deutlichen Fortschritt gegenüber dem ersten Album. Im Mosaic Select gibt es nur einen kurzen Bonustrack, eine ebenfalls recht gradlinige Version von „I Got Rhythm“.

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