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McCoy Tyner – Nights of Ballads & Blues | Runde drei folgte schon im März 1963, Bob Thiele liess nichts anbrennen. Steve Davis, der nicht sehr bekannte Bassist, der bei den Atlantic-Sessions mit Coltrane im Oktober 1960 dabei war, ist am Bass, Lex Humphries am Schlagzeug – was eine wesentlich weniger aufregende Rhythmusgruppe ergibt als auf den ersten zwei Alben. Vielleicht hilft das aber Tyner gerade auf seiner Suche nach „beauty“ (von der auch in den Liner Notes zu „Reaching Fourth“ die Rede ist, und zwar im Hinblick auf Tyner selbst, seine Person). Hier zitiert George Hoefer den Pianisten am Ender seiner Liner Notes: „I want to get as much beauty out of the instrument as I can“ und fügt an, jedes neue seiner Alben sei ein Schritt in Richtung dieses Ziels. Ein anderer Gedanke, den ich schon beim ersten Album hatte: das sind eigentlich alles Tyners „Ballads“-Alben – vielleicht musste er sie machen, um danach in neue Gefilde aufzubrechen? Was natürlich Unsinn ist, denn für den Aufbruch musste er Coltrane verlassen, musste dieser gestorben sein usw. Los geht es mit einer mittelschnellen Version von „Satin Doll“, Humphries klingt da knackig frisch, spielt wie auf dem ganzen Album mit Besen. Davis macht einen tadellosen Job und kriegt auch ein paar Solo-Spots – aber von der Rollenverteilung her ist das eher ein Rückschritt. Statt sechs Stücken und ca. 33 Minuten gibt es hier acht und um die 38 Minuten – und sogar nur noch ein einziges Original, „Groove Waltz“ and zweitletzter Stelle. Sonst spielt Tyner Standards und Stücke von Kollegen und Vorbildern: „We’ll Be Together Again“, „‚Round Midnight“ (ziemlich populär unter Pianisten, war mir gar nicht bewusst) und „For Heaven’s Sake“ auf der ersten Seite, den Beboppers Favorite „Star Eyes“ und „Blue Monk“ vor dem eigenen Stück und als Closer einen ganz neuen Pop-Song, „Days of Wine and Roses“ (der Film kam laut Wiki am 26. Dezember 1962 in die Kinos, Tyner ging am 4. März ins Studio von Van Gelder). Die Blues vom Albumtitel sucht man hier also vergeblich, aber das ist natürlich alles irgendwie Mood-Musik (was auch die striktere Rollenverteilung erklärt) und der Blues kann das auch sein, wenn er von Jazzmusikern verfeinert dargeboten wird (und „Blue Monk“ ist schon nah dran, zumindest von der Stimmung und den Changes her). Am Ende bleibt das von den ersten drei auch heute das Album, das mir am wenigsten gefällt – Tyners Fehler ist das nicht, aber die Begleitung ist schon sehr zahm. Auch bei so einem Moods-Album dürfte ganz gern ein wenig mehr los sein.

McCoy Tyner – Today and Tomorrow | Album Nummer 4 ist dann etwas seltsam: da treffen drei Stücke eines hochkarätigen Sextetts (Thad Jones, Frank Strozier, John Gilmore, Butch Warren, Elvin Jones, 4. Februar 1964) auf drei eines Trios, über ein halbes Jahr früher eingespielt (Jimmy Garrison, Albert „Tootie“ Heath, 4. Juni 1963), die werden dann auch noch im Wechsel programmiert, immer zuerst ein Sextett-, dann ein Trio-Stück. Ob das so herauskam, weil bei der Trio-Session nicht genügen Material resultierte? Auf der abgebildeten GRP-CD sind die Sextett-Stücke zuerst, dann die drei Trio-Stücke sowie als Extras noch die drei weiteren Trio-Stücke beigefügt, die später auf den drei Volumen von „The Definitive Jazz Scene“ erschienen sind. Das ergibt immer noch weniger als 29 Minute, also definitiv zu wenig für eine LP bei Impulse (so ab 32 war man da im Rennen, 28 hätte vielleicht bei Argo ausgereicht). Tyner, Garrison und Heath ist wieder ein wesentlich lebendigeres Trio, und dass die erste Nummer „A Night in Tunisia“ ist (auf der LP zwischen zwei Sextett-Stücken auf der ersten Seite) hilft da auch. Heath kriegt ein Solo, Garrison ist natürlich mit dem Pianisten vertraut und hat einen tollen Ton und einen starken Beat. „Autumn Leaves“ und „When Sunny Gets Blue“ umrahmen auf der LP das letzte Trio-Stück. Bei Kosma gibt’s ein walkendes Bass-Solo, in der Ballade „Sunny“ sind die drei sehr eng zusammen – das ist hier wohl mein Highlight. Als Bonustracks folgen „You’d Be So Nice to Come Home To“ (von Vol. 2), ein Lieblingsstück, das hier einen tollen Flow hat, „Five Spot After Dark“ vom ehemaligen Boss Benny Golson (von Vol. 3 – Garrison ist auf der ersten Aufnahme des Stücke auf „Blues-ette“ von Curtis Fuller) und der kurze „Flapstick Blues“ (von Vol. 1), das einzige Tyner-Original der Trio-Session. Insgesamt bleibt das etwas Stückwerk – bei der Sextett-Session ist ebenfalls bedauerlich, dass die drei Stücke nur 22 Minuten ergeben … ein Album, mit dem ich – John Gilmore hin, Frank Strozier und Thad Jones her – nie mehr als halbwegs warm geworden bin, das ist auch heute nicht anders (obwohl, heute lasse ich die Sextett-Hälfte ja aus).


McCoy Tyner Live at Newport / McCoy Tyner Plays Ellington | In Newport spielte Tyner am 5. Juli 1963 – also einen Monat nach der Trio-Session von „Today and Tomorrow“. Er war übermüdet, das Konzert war ungeplant und ein Mitschnitt erst recht nicht vorgesehen: Clark Terrys Flügelhorn war in einem Auto davongefahren, er lieh sich eine Trompete von Bill Berry. Charlie Mariano sollte eigentlich nicht dabei sein, mit ihm und Bob Cranshaw hatte Tyner noch nie gespielt. Nur Mickey Roker kannte er schon. Dennoch kam das ganz gut heraus, und zwischen den drei Quintett-Stücken, die natürlich Jam-Session-Charakter („Newport Romp“ zum Einstieg, dann „My Funny Valentine“ und als Closer „Woody’n You“) sind auch zwei Trio-Nummern zu hören, „All of You“ und den hervorragenden „Monk’s Blues“ von Tyner, in dem dieser Elemente von Monk nahtlos in seinen eigenen Stil einbaut – mit ziemlich verblüffendem Ergebnis. Die sind ziemlich toll – Roker klingt super und Cranshaw ist auch toll. Schade, hat Thiele die drei danach nicht noch ins Studio geholt.
Im August 1963 wirkte Tyner noch bei den Aufnahmen zu „Illumination!“ seiner Coltrane-Kollegen Jimmy Garrison und Elvin Jones mit und wurde auf dem Cover auch genannt. Die zwei sind dann auch auf Tyners letztem Impulse-Album dabei, das an drei Tagen im Dezember 1964 entsteht – eine Woche vor, zwei und ein Tag vor „A Love Supreme“. Doch Tyners Album hat wenig gemein mit dem seines Leaders: es ist kein Statement, es hat nicht annähernd so viel Gewicht … und es erweitert das Trio auf vier Stücken um die Latin-Percussion von Willie Rodriguez und Johnny Pacheco, die im Opener „Duke’s Place“, dem unmittelbar folgenden „Caravan“ sowie in „Searchin'“ und „Satin Doll“ dabei sind. Das Material stammt von Ellington – bzw. Juan Tizol, der auch mit „Gypsy Without a Song“ vertreten ist. Von diesem gibt es als Bonus auf meiner CD noch einen Alternate Take, davor auch noch einen Outtake, „I Got It Bad (And That Ain’t Good)“. Das Album mochte ich nie besonders – die Percussion-Tracks noch weniger als den Rest … das ist auch heute nicht sehr anders. Was aber anders ist: dass ich Tyners Touch heute wirklich überall auf diesen Alben toll finde – und vielleicht auch die Idee besser verstehe, warum er ein Ellington-Album machen wollte (auf dem Album von Coltrane mit Ellington durfte er ja leider nicht mitspielen – aus naheliegenden Gründen natürlich).
Aber ich nehme mit, dass „Inception“ deutlich besser ist, als ich es erinnerte, eigentlich auf der Höhe von „Reaching Fourth“, das mein liebstes dieser Alben ist und ebenfalls dazugewonnen hat heute. Auch „Night of Ballads and Blues“ ist echt schön, keine Frage. Und auf den anderen Alben gibt es ebenfalls einiges tolles zu hören.
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