Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Danke fürs Interesse – ja, es geht grad schnell … aber lesen kann man ja auch später noch :-)

Ich hab grad gemerkt, dass ich ja noch was übersprungen hab, was ich im Kontext neu zu entdecken hoffe:

McCoy Tyner – Inception | McCoy Tyners Debut-Album für Impulse, das Label eines Bosses, für das er sechs Alben machte, bevor er zu Blue Note weiterzog – drei ganz im Trio, die anderen teils im Trio, teils mit Bläsern oder Extra-Percussion dazu. Hier gibt es den dunklen, unterschätzten (auch von mir, wenn ich nicht grad Max Roach höre, muss ich zugeben) Bass von Art Davis und die total crispen Drums von Elvin Jones. Klar, der macht seine Rolls und so, aber oft könnte man ihn hier tatsächlich fast mit Roy Haynes verwechseln. Tyner wollte ich im Kontext vor allem wegen der Bemerkung von Dick Katz wieder hören (im Booklet der „Columbia Jazz Piano Moods“-Box von Mosaic, glaub ich?), dass bei ihm der „glow“ von Teddy Wilson fortlebe. Und das leuchtet mir tatsächlich ein. Das sind noch keine „lauten“ Alben, wie er sie später haufenweise machte, auch wenn sein Spiel da und dort (im eigenen „Blues for Gwen“ etwa) rasant ist. Dicht wirkt das nie, dick schon gar nicht … und auch die Power, die er bei Coltrane besonders live schon an den Tag legte, fehlt hier die meiste Zeit. Oder sie wird sublimiert und findet andere Wege – und die sind schon ziemlich toll. Nach Evans klingt hier obendrein nichts, da entsteht schon etwas Eigenes. Net Hentoff schreibt in den Liner Notes: „Bud Powell was an early influence, and a further stimulus came from Thelonious Monk. Revealingly, McCoy admires Monk primarily because ‚he plays so spontaneously. All of us have individuality – in some field or other – and it’s a shame not to cultivate what’s inside of you. If you don’t, you wind up not knowing yourself and playing somebody else. Monk has never done that.'“ Bevor Tyner mit Coltrane loszog – er traf ihn schon mit und spielte immer mit ihm, wenn der Saxophonist nach Philadelphia zurückkehrte – spielte er mit dem Jazztet von Benny Golson und Art Farmer. Mit Coltrane verfeinerte er dann seinen Stil, der schon im Herbst 1960 bei den Atlantic-Sessions schön zu hören ist. Und hier, auf seinem Debut, findet er noch einmal andere Wege. Besonders klar wird das vielleicht in seinem „Sunset“, gewidmet seiner Frau Aisha. Hier greift Davis zum Bogen (makellos natürlich), in den Liner Notes zitiert Hentoff ihn ausführlich und es fallen Begriffe wie „serenity“, „peacefulness, love of God, and the unity of mankind“ – das, was ihn sein islamischer Glaube lehre. Neben vier Originals spielt Tyner auch „There Is No Greater Love“ und als Closer „Speak Low“ (im Thema über eine Latin-Beat). Immer auf der Suche nach „beauty“, nach Schönheit, findet Tyner eigene Voicings, schrammt besonders in Outros vielleicht mal an einer Passage vorbei, die es so ähnlich auch mal bei Garland oder Jamal geben könnte – aber sonst höre ich am ehesten gewisse Parallelen zu Herbie Hancock (den ich aber als deutlich fliessender empfinde). Tyner ist jedenfalls schon hier sein eigener Mann – und das wird mir auch tatsächlich nochmal anders bewusst, wenn ich dieses Album zwischen Bill Evans, Don Friedman, Paul Bley, Denny Zeitlin oder Clare Fischer höre. Im Gegensatz zum Debut von Zeitlin ist das von Tyner übrigens erfreulich kompakt: sechs Stücke, 32 Minuten – und da fehlt gar nichts.

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