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ford-prefect Most of my heroes still don't appear on no stamp
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Kosmische Brocken – Frank Zappa und die Deutschen, Atlantis-Kino, Mannheim, 5. Dezember 2025
Vorgestern habe ich mir den 95-minütigen Dokumentarfilm „Kosmische Brocken“ über die Zappanale, das größte Frank Zappa gewidmete Festival der Welt in Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern, im Mannheimer Atlantis-Kino angeschaut. Der Filmemacher Jörg Wulf, der zudem das Musikmagazin „Vinylrausch“ herausbringt, war persönlich anwesend, um nach der Dokuvorführung von seinen Dreharbeiten, die über 15 Jahre dauerten, zu erzählen und sich in einer Frage-Antwort-Runde mit dem Publikum zu unterhalten. Es waren nur 35 Besucherinnen und Besucher ins Atlantis-Kino gekommen. Am 21. Dezember wäre Frank Zappa 85 Jahre alt geworden. Gestorben ist Zappa am 4. Dezember 1993. In den zweieinhalb Wochen zwischen seinem Todes- und Geburtstag feiern viele Fans jedes Jahr den sogenannten „Zappadan“, was wie ein religiöses Fest anmuten soll. In Erinnerung an den Altmeister.
Vor dem Film trat das No Budget Orchestra Duo auf, in dem der neue Atlantis-Theaterleiter Hari Ossa, der großer Fan von Frank Zappa ist, virtuos eine Fender Telecaster spielt. Während des 45-minütigen Auftritts interpretierte das Zweigespann mehrere Zappa-Songs. In dem Dokumentarfilm „Kosmische Brocken“ kommen viele Besucherinnen und Besucher auf dem Zeltplatz der sommerlichen Zappanale zu Wort, darunter ein Mann, der eigens aus Chicago nach Mecklenburg-Vorpommern flog, um das Festival zu besuchen. Manche Alt-Fans wurden einst durch das Album „King Kong“ von Jazz-Geiger Jean-Luc Ponty von 1970 zum ersten Mal auf Zappa aufmerksam. Außerdem äußern sich der Schriftsteller Peter Wawerzinek und die Grünen-Politikerin Claudia Roth. Hinter der Zappanale steht die Arf Society als Veranstaltungsteam. Dabei handelt es sich um ostdeutsche Rock-Fans, die in der DDR an westliche Popmusik nur durch illegalen Plattenhandel unter der Hand herankamen. In seinem Film „Kosmische Brocken“ darf Regisseur Jörg Wulf keine Original-Songs von Frank Zappa verwenden, was ihm die Söhne von Zappa als Nachlassverwalter verboten haben. In Bezug auf das musikalische Erbe soll sich die gesamte Zappa-Familie zerstritten haben. „In diesen Streit geriet ich mit meinen Dreharbeiten hinein“, erklärte Filmemacher Jörg Wulf. Aber wie realisiert man eine Dokumentation über einen Musiker, ohne darin seine Musik spielen zu dürfen? Der Dokumentarfilm beginnt mit einem archivierten Interview mit The Grandmothers, den ehemaligen Bandmitgliedern der Mothers of Invention, das Jörg Wulf am 7. Dezember 1993 in der Künstlergarderobe des Berliner Musikclubs Knaack geführt hat, drei Tage nach dem Tod von Frank Zappa, der im Alter von knapp 53 Jahren an Prostatakrebs verstarb. Inzwischen gibt es in vielen Städten huldigende Zappa-Events, zum Beispiel die Zapparossa in Gelnhausen östlich von Frankfurt am Main, die Heubacher Zappa-Nacht östlich von Stuttgart und das Mosae Zappa im holländischen Heerlen.
Während der Unterhaltung mit dem Publikum erzählten Kinobesucher, damals beim chaotisch verlaufenen Frank Zappa-Konzert im Mannheimer Eisstadion im Juni 1980 dabei gewesen zu sein. Leider sieht man in dem Film „Kosmische Brocken“ nicht den Konzertveranstalter Fritz Rau, der in den 1970er Jahren viele wichtige Tourneen von Zappa auf deutschen Bühnen organisierte. Den Rau habe ich ein wenig vermisst als Zeitzeuge. „Fritz Rau habe ich verpasst während der Dreharbeiten. Obwohl er mal auf der Zappanale war“, antwortete Filmemacher Jörg Wulf auf meine Erkundigung. Und Wulf bekannte: „Frank Zappa war schon ein merkwürdiger Mensch. Mit ihm befreundet hätte ich nicht sein wollen.“ In seinem Dokumentarfilm sieht man den Musikjournalisten Ben Watson, wie er auf der Zappanale-Bühne aus einem dadaistischen Buch vorliest. Leider konnte ich den Titel des Buchs in seinen Händen nicht richtig erkennen.
Vor einem Jahr erschien die Autobiografie „Earth to Moon – Aus dem Schatten meines Vaters zu mir selbst – Erinnerungen“ von Moon Unit Zappa, die Tochter von Frank Zappa, auf Deutsch im Heyne-Verlag. Es gibt noch den Dokumentarfilm „Ein Leben als Extravaganza – Das Genie Frank Zappa“ der beiden Filmemacher Rudi Dolezal und Hannes Rossacher, die als Produktionsfirma DoRo in den 1990er Jahren die sonntägliche Portrait-Reihe „Jam“ auf Viva gedreht haben, in der sie Rock- und Popstars vorstellten. Der Extravaganza-Film von 1993 gilt ja mittlerweile als Standardwerk, muss ich mir mal anschauen. In der Filmbranche standen Regisseur Jörg Wulf und sein Kollege Rudi Dolezal zeitweise im regen Austausch, was Filmmaterial betrifft. Gegenwärtig arbeitet der Berliner Jörg Wulf an einem neuen Dokumentarfilm über das Thema „Rock in der DDR“. Hoffentlich kommt er mit dem fertigen Film wieder nach Mannheim ins Atlantis-Kino. Am kommenden Dienstag, 9. Dezember, wird Filmemacher Jörg Wulf mit Vinyl-Experte Frank Wonneberg im Online-Radio http://www.rockradio.de von 18:00-20:30 Uhr zu Gast sein, um über seinen Dokumentarfilm „Kosmische Brocken“ zu berichten und feierlich den Zappadan zu begehen.
zuletzt geändert von ford-prefect--
Wayne's World, Wayne's World, party time, excellent!