Antwort auf: Das Piano-Trio im Jazz

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gypsy-tail-wind
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This Here Is Bobby Timmons
Teddy Wilson – And Then They Wrote…
Horace Parlan – Movin‘ & Groovin‘

Vorgestern spät not Bobby Timmons und dann Teddy Wilson, gestern wieder Wilson und dann Horace Parlan … Timmons fand ich nach Mance und Bryant und ihren Basie-ismen einen interessanten Kontrast. Bei ihm fehlen diese klaren Bezüge zu früher bzw. sie sind nicht so an der Oberfläche hörbar. Sein Spiel ist viel perkussiver, knackiger, härter. In den Liner Notes schreibt Keepnews, der Produzent, wie „soulful“ („’soul‘ music […] is a prettier word than ‚funky'“) längst den Stellenwert eingenommen habe, den früher „swinging“ gehabt habe und dass es keinen Pianisten gebe, der „soul“ mehr verkörpere als Timmons. Er streicht dann seine Originals heraus, von deren drei berühmtesten es zwei schon gab, als er im Januar 1960 an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit Sam Jones und Jimmy Cobb sein Debutalbum aufnahm: „This Here“ (mit Cannonball Adderley aufgenommen, wo Timmons der Nachfolger von Mance war, wo auch Sam Jones und Jimmy Cobb gespielt hatten) und „Moanin'“ (mit Art Blakey und den Jazz Messengers aufgenommen). „Dat Dere“ wurde direkt danach auch von Adderley (Februar, „Them Dirty Blues“ – mit Timmons‘ Nachfolger Barry Harris am Klavier und Jones am Bass) und Blakey (März, „The Big Beat“, mit Timmons am Klavier, das war ja sein neuer Gig) aufgenommen, die Vokalversionen von Oscar Brown jr. bzw. Sheila Jordan folgten 1961 und 1962. Das Album steht im Regal meines Vaters und ich kenne es schon sehr lange (er hörte es nicht mehr, aber als ich irgendwann alt genug war, um den Plattenspieler zu benutzen und die Jazzplatten durchforstetee …) – es war mir immer eine Spur zu ruppig, manches wirkt fast skelettal hier, aber der Groove ist oft toll und es gibt auch andere Klänge, eine kurze aber sehr schöne Solo-Version von „Lush Life“, Stücke aus dem Repertoire anderer Pianisten („The Party’s Over“ tauchte im Juni 1961 bei Ahmad Jamal im Alhambra auf, „Come Rain or Come Shine“ wurde für Bill Evans‘ „Portrait in Jazz“, zwei Wochen vor Timmons‘ Album augenommen, als Opener auserkoren).

Das Album von Teddy Wilson höre ich als noch etwas unebener, ein paar der Stücke sind grossartig – z.B. der Closer aus der Feder von Dave Brubeck, „The Duke“ … die unendliche Leichtigkeit des Interpreten eine eklatante Gegenthese zum schweren Klavierspiel des Komponisten wie auch zum arranger’s piano (in dem Fall besser: composer’s piano) des Widumgsträgers, anderswo finde ich, zieht Wilson etwas schnell über die ausgewählten Stücke hinweg. Diese stamen der Reihe nach von Jelly Roll Morton, James P. Johnson, Waller, Ellington, Hines, Basie, Wilson, Monk („‚Round Midnight“), Kenton, Shearing und Garner („Misty“), bevor das Album mit Brubecks Hommage endet. Nach den Vorbildern klingen will Wilson dabei nicht, er interpretiert einfach die Stücke und eben: das klappt nicht immer gleich gut, finde ich. Dass das Line-Up hier mit Major Holley und Bert Dahlander nicht mein liebstes ist, hatte ich erwähnt, dass Wilson eben nicht mehr so offen unterwegs ist zu diesem Zeitpunkt auch – das hindert ihn nicht daran, oft mit vollendeter Eleganz aufzutreten.

Dann Horace Parlan – sein Debut, für Blue Note Februar 1960 mit Sam Jones und Al Harewood, bei mir aus der Mosaic-Box, wo man netterweise einmal mehr die Album-Reihenfolge der Stücke beibehalten hat. Der Opener, „C Jam Blues“, stand an fünfter Stelle nd ist Take 8 (es scheint entweder kaum false starts und alternate takes gegeben zu haben oder Lion/Van Gelder zählten die nicht mit, 13 Takes insgesamt für die acht Master Takes) – und der ist phänomenal. Ellington wieder, ein leichter Groove (Harewood!) mit dunklem Sound (Jones!) – und nach zwei Minuten oder so entgleitet alles, zunächst fast unmerklich, und die Performance wird eigenwilliger, Parlans Spiel immer repetitiver, es scheint quasi an Ort und Stelle zu entgleiten, wird dabei total eindringlich und in der Reduktion fast wie Waldrons „Telegramm-Stil“ … ein Statement für den Opener des ersten Albums. Vorgarten hat die These aufgestellt, dass das hier das erste Spiritual Jazz-Album im Klaviertrio-Format sei – ich habe den Gedanken mitgenommen und finde ihn interessant. Wegen der auch hier noch – als Evans ja gerade Evans geworden ist, das neue Piano-Vokabular jetzt zur Verfügung steht, auch wenn es noch etwas dauert, bis es sich überall ausbreiten sollte – grossen Vermischung im Piano-Kontinuum ist mir das nicht so klar … jedenfalls ist das hier nochmal was anderes als die „Soul“-Alben, wie sie Ramsey Lewis (hat mal wer in „Down to Earth“ reingehört, das hat mich ja echt geflasht beim Wiederhören) schon 1958, Bobby Timmons sechs Wochen vor Parlan oder natürlich Parlans Labelmates, The 3 Sounds, aufgenommen haben. Auch ein Hard Bop-Album ist das letztlich nicht (das wären dann hingegen die vom gerade erwähnten Mal Waldron) … also ja zur Aussage, aber ob sie so innerhalb der Piano-Linien so relevant ist, bleibt dahingestellt, im grösseren Ganzen ist sie allerdings sicherlich interessant. Wobei die Spiritual Jazz-Leute dann ja auch Tyner und Hancock (und damit die Evans-Sprache) einbeziehen und damit auch anderswo ansetzen.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #168: Wadada & Friends - Neuheiten 2025 (Teil 2) - 9.12., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba