Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

Startseite Foren Kulturgut Für Cineasten: die Filme-Diskussion Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

#12548817  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

Beiträge: 5,495

Totales Kontrastprogramm:

Sergio Leone – Spiel mir das Lied vom Tod (1968)

Kannte ich schon, habe ich anlässlich des Todes von Claudia Cardinale nochmal gestreamt. Hier wird kaum ein Klischee ausgelassen: Der geheimnisvolle schweigsame Rächer, der skrupellose Bösewicht, der getriebene Kapitalist, die heilige Hure, der Halunke mit dem goldenen Herzen. Spektakuläre Landschaftsaufnahmen, dramatische Kameraeinstellungen, Schießereien mit dutzenden von Toten und schließlich ein dramatischer Showdown, bei dem der siegt, der am schnellsten zieht und das ist natürlich der Gute! Alles überlebensgroß, ganz große Oper, gerade auch mit Ennio Morricones Filmmusik. Und das alles ist auch toll so! Eigentlich der Western to-end-all-westerns. Damit ist das Genre eigentlich auserzählt.

Andreas Dresen – Wolke 9 (2008)

Hier sehen wir, was wir noch nie gesehen haben, was wir eigentlich auch nie sehen wollten und was uns auch noch nie jemand zeigen wollte. Eigentlich würde man verschämt die Tür schließen und wegsehen. 70-Jährige verlieben sich und haben Sex miteinander. So gespielt und gefilmt, dass man manchmal glaubt, eine Live-Dokumentation zu sehen – nur dass das niemand so dokumentieren könnte. Das ist intim aber nie voyeuristisch, könnte so in dem Mietshaus passieren, in dem ich wohne, aber es würde hinter verschlossenen Türen und unbemerkt ablaufen. Andreas Dresen hat unglaubliches Geschick, das Leben ganz normaler Menschen darzustellen, das durch scheinbar kleine Ereignisse auf den Kopf gestellt wird und sie in tiefe Krisen stürzt. Er und Kameramann Michael Hammons sitzen den Schauspielern unterm Hemd, die Schauspieler machen sich förmlich nackt – und zwar nicht nur körperlich. Die Ausstattung wirkt einerseits völlig unspektakulär und unauffällig, ist andererseits aber so stimmig (die röchelnde Kaffeemaschine, der Wäscheständer im Schlafzimmer …), dass das absolut authentisch wirkt. Nicht immer angenehm anzusehen aber entwaffnend und berührend. Und vor allem sehr menschlich.

Filme von Andreas Dresen kann man hier streamen.

--

“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)