Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Ich höre gerade … Jazz! › Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!
Doppelpost aus dem Ausstellungs-Faden, weil das ja doch v.a. was für die Jazz-Ecke ist:
Ich hab heute von 11 bis 14 Uhr den ganzen dreistündigen Sound-Loop von „Bass“ von Steve McQueen im Basler Schaulager angehört … mehr Musik geht im Moment nicht. Ziemlich grossartig, bin froh, bin ich nochmal hin (nachdem ich letzten Sonntag schon beim Gespräch von Paul Gilroy mit Marcus Miller – und McQueen im Publikum, der dann auch noch eine Frage an Miller gestellt hat – war, das viel länger dauerte, was mir weniger Zeit für die Installation liess als geplant). McQueens Arbeit ist eine Art Reflexion über die „middle passage“, die unvorstellbare und kaum durch Zeugnisse dokumentierte Reise der Sklav*innen im Bauch der Schiffe, die sie von Westafrika nach Amerika brachten. Dafür schafft er einen leeren Raum, der mit dem gesamten wahrnehmbaren Spektrum an Farben ausgeleuchtet wird. Los geht es in Rot, über Violett geht es ins Blaue weiter, dann natürlich zu Grün, Gelb und zurück, in jeweils ca. 30 Minuten und mit Verschiebungen, die kaum wahrnehmbar werden (das Necks-Prinzip quasi) … der Leere, den Slow-Motion-Bass-Sounds, die manchmal ganz karg bleiben, dann wieder die Betonwände erschüttern lassen, muss man sich ausliefern, sich drauf einlassen.
Aufgenommen wurde die Musik im Januar 2024 im Untergeschoss der Dia Beacon in New York, wo die Installation zuerst präsentiert wurde (aufgrund der Fotos wohl ein deutlich besserer Raum, um den Schiffsrumpf zu symbolisieren, aber solche Anmassungen sind dem ganzen Projekt eh völlig fremd – was McQueen macht, ist eine künstlerische Intervention in Form einer Reflexion, die nichts ausbuchstabiert und das Thema – in der Schweiz, die nie Kolonien besass, noch immer fast komplett totgeschwiegen – wird doch sehr klar). Marcus Miller hat ein wenig was vorbereitet, Steve McQueen hat die Musiker*innen geleitet – nein, keine Reggae-Rhythmen oder Blues-Anklänge, es geht nicht ums Ankommen, es geht nur um die Überfahrt – nein, noch nicht weiter zum nächsten Riff, bleibt erstmal 20 Minuten bei diesem hier, fördert das Gold zutage. Gemeinsam wurde improvisiert, eine Art praktizierte Low End Theory ist das Ergebnis. Mamadou Kouyaté spielt reiste aus Mali an und spielt die Bass-Ngoni, Aston Barrett Jr. steuert (ich glaub am Bass seines Vaters) kaum gezupfte, dröhnende Flächen bei, während Meshell Ndegeocello den verspielten hellen, hohen Bass-Part übernimmt und Miller irgendwo dazwischen seinen Jazz-Bass singen, grooven und brummeln lässt. Darüber singt Laura-Simone Martins gezupfter Kontrabass immer wieder halb-solistische Melodien, die doch immer komplett ins Ensemble eingebettet. Toll.
Wenn irgendwer bis Mitte November in der Nähe von Basel ist, hinfahren! Mehr dazu (auch die Saal-Broschüre):
https://schaulager.org/de/smq-bass
Der Katalog ist ein Objekt der Begierde für Leute mit Bass-Fetisch (es gibt u.a. tolle Session-Fotos und zahlreiche Abbildungen von Instrumenten, Verstärkern usw. – und natürlich eine ganze Reihe von Texten.
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #166: First Visit: Live-Dokumente aus dem Archiv von ezz-thetics/Hat Hut Records - 14.10., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba