Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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vorgarten

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MONEY JUNGLE
ellington, mingus, roach, douglas, schwartau (17.9.1962)

„think of me as a poor man’s bud powell“, soll ellington am vortag zu mingus und roach gesagt haben. eine eigenartige tiefstapelei. aber man kann sich vorstellen, dass hier niemand angstfrei in die session gegangen ist. alle hatten etwas zu verlieren – der orchesterleiter ohne plattenvertrag, der als solist neues terrain betritt; der ellington-verehrer mingus, der von diesem mal gefeuert worden war; und max roach vielleicht auch, weil mingus darauf bestand, dass er hier alles zusammenhalten soll. neun tage später ging ellington mit coltrane ins studio (siehe hier album #100) und beide machten einander geschenke – hier, in dieser ego-kollision schenkt niemand niemandem etwas.

als happening ist das spannend, auch wenn der gossip drum herum bestimmt aufgebauscht ist (läuft meistens darauf hinaus, dass mingus mal wieder unartig war). vielleicht hat man ein elegant rhapsodisches klavier erwartet, das sehr viel bass und schlagzeug durchlässt – statt dessen bekommt man nichols, monk, hope und poor man’s bud powell, der nicht nur melodiekürzel und ihre dissonanten voicings vorhämmert, sondern sich auch noch in die percussion einmischt und dessen linke hand auch den bass mitspielt (einmal, in „caravan“ sogar einen formvollendeten walking-bass-abwärtslauf). who’s he boss? keine frage. was mingus dazu einfällt, kann man als trotzig und resistent wahrnehmen: gedehnte störattacken auf einem ton, mehrfingriges tremolo, das auf dem bass unmöglich präzise zu steuern ist, kontralinien. vielleicht kann man das aber auch anders hören: wenn der boss schon so viel wagt, ist eigentlich die bahn frei für jedes nur denkbare bekloppte experiment.

in miles‘ berühmten blindfoldtest von 1964 (das ist der, in dem er androht, dolphy auf den fuß zu treten, cecil taylor als altmodisch bezeichnet, und sich vorstellen kann, sich von joão gilberto mit genuss die zeitung vorlesen zu lassen) wird ja behauptet, dass mingus und roach nicht mit ellington zusammenspielen konnten. ein mismatch, die ergänzen sich nicht. und die plattenfirmen sollte man für sowas in den arsch treten. aber das album heißt „money jungle“, und elligton hat dazu new yorker schlangen gezeichnet, die die ausbeuter und agenten repräsentieren sollten – vielleicht ist das ganze projekt dahingehend ein arschtritt?

heute hört man, dass eine ganze reihe von pianisten, die auch den bass und das schlagzeug mitspielen (wie allen, moran, iyer), auch musikalisch sehr viel aus MONEY JUNGLE herausgezogen haben: das aufgekratzte anrumpeln gegen die zustände, mit der linken hand im proto-jazz. und bei denen müssen sich die mitspielenden auch was neues überlegen, um dem etwas hinzuzufügen.

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