Antwort auf: Peter Brötzmann

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gypsy-tail-wind
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Knauer und Broecking verwechselt heute Morgen … jetzt lese ich den Text von Knauer und finde ihn ebenfalls sehr lesenswert, merci dafür @icculus66! Das mit der Struktur überrascht ja nicht wirklich, aber es ist natürlich schön, so eine Analyse dazu lesen zu können!

Interessant finde ich die „Begegnung“ von Free Jazz mit Blues und Soul (nicht mit Jefferson Airplane und so, sondern wirklich Blues, S. 85 ganz unten bei Knauer), denn die gab es in Willisau bis ca. in der Zeit auch noch. Das erwähnt Troxler in denselben Passagen von Broeckings Buch über Schweizer, die ich oben auszugsweise zitiert habe, auch noch – und dass das natürlich irgendwie nicht passte. Aber es hatte Geschichte, denn auch im Africana in Zürich, wo ca. 1964/65 die Blue Notes spielten, wo Dollar Brand damals eine Zeit lang seine Homebase hatte, war neben Brand auch ein Bluespianist regelmässig zu hören, Champion Jack Dupree (mein Vater war bei Dupree – die Blue Notes wären ihm vermutlich zu krass gewesen, aber die Liebe zur Musik von Dollar Brand/Abdullah Ibrahim habe ich ja tatsächlich auch von Kindheit an mitgekriegt)

Ich hab nur eine kleine Kritik an Knauer, nämlich das Framing der Rhythm & Blues-Saxophonisten als „archaisch“ (S. 89 unten) – das dünkt mich sehr von Europa aus gedacht, wo eben der ganze Reichtum des Spiels, der Tongestaltung verkannt, wie sie für Brötzmann ja auch teilweise wichtig waren (er replizierte sowas, baute seinen Ton darauf auf; Knauer geht darauf auf S. 94 ein, zitiert Jost, der von „hochlagigen Klangflächen“ spricht). Mag ein Nebenschauplatz sein, aber wo Knauer – völlig zu recht – am Schluss (S. 98) darauf hinweist, dass die alten Jazzfans mit ihren Klagen über den Mangel an gesellschaftlicher Relevanz der späteren Musikszenen den Fehler machten, ihre Sicht (er schreibt sogar: „unsere“) als „Mass der Dinge“ zu nehmen, so möchte ich halt darauf hinweisen, dass das Framing gewisser afro-amerikanischer Spieltechniken der Zeit (die natürlich weit darüberhinaus ausstrahlten, nicht nur nach whoopatal sondern z.B. auch nach Florida, wo ein Junge, der einst ein Jahr in einer eisernen Lunge lag, David Sanborn, diese Spieltechniken in einem ziemlich irren, sehr bunten Werdegang am Ende so aufbereitete, dass sie selbst in der – auch politischen – Fahrstuhlmusik der „Holding Corporation Called Old America“ (Mingus) nicht störten) oberflächlich wirkt, wenn es nicht eine gewisse Unkenntnis früherer Musikstile verrät (wie sie bei denen, die die alten Zeiten des europäischen Free Jazz vermissen, leider sehr weit verbreitet ist).

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #166: First Visit: Live-Dokumente aus dem Archiv von ezz-thetics/Hat Hut Records - 14.10., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba