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gypsy-tail-winddie Einordnung von „Midnight Blue“. Das ist ein Album, das ich – neben „Blue Hour“, „Green Street“, „Bossa Nova Soul Samba“ oder „Idle Moments“ – ca. mit 18 oder 20 entdeckt habe … eins dieser typischen Mood-Musik-Alben aus der Blue Note-Kücke (die ja schon nochmal anders sind als ähnliches aus dem Hause Prestige/Moodsville – irgendwie runder, voller, wärmer, zugleich aber auch karger, asketischer?), das sehr, sehr oft lief. An Ulmer hätte ich da jetzt zuletzt gedacht, aber das leuchtet mir vollkommen ein. (Ich hab immer noch die RVG-CD – Discogs sagt mir, die sei von 1999, das ist das Jahr, in dem ich 20 wurde … ich glaub davon hatte ich davor keine andere Ausgabe, die RVG-Reihe bot anfangs sehr viel für mich Neues, Alben, deren 1987-89er CD-Reissues inzwischen wieder verschwunden waren.)
mood-musik, interessant. ich verstehe, was du meinst, aber innerlich regt sich da leichter protest bei mir, gitarrenalben in die stimmungsecke zu verschieben. BLUE MIDNIGHT ist ein modernes blues-album mit durchaus dramatischen soli. aber es wird dabei schon an was anderem gearbeitet als an heißen solo-abfolgen, das sehe ich ein. vielleicht verstehe ich das auch falsch.
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Die Sichtweise auf Blakey kann ich sehr gut nachvollziehen – und den „subtilen Krach“ finde ich eine super Wendung, um Blakey zu fassen! Mir fehlt bloss der Hinweis darauf, dass die extrovertierten Soli eben auch von einer unglaublichen Hipness und Lässigkeit sind, einen Flow haben, einen sehr gekonnten Umgang mit Melodien und deren Bruch verraten: die Repetitionen und spiralartigen Fortschreibungen bei Golson, die Repetitionen, die kleinen Schreie, die ganzen half-valve-Sachen von Morgan. Ich finde das unglaublich verführerisch – auf seine Art gerade so sehr wie Paul Desmond (und ja, der klingt auf diesen Columbia-Aufnahmen mit Brubeck wirklich immer phänomenal!). Mir geht es beim Wiederhören der Hard Bop-Klassiker (von denen ja eigentlich erstaunlich wenige in der Liste stehen) so, wie Dir mit Milton Banana: es gibt immer wieder neue Kleinigkeiten und Feinheiten zu entdecken.
alles, was du schreibst, stimmt. aber manchmal wirkt das für mich auch ein bisschen wie ein stabhochsprungwettbewerb (und der ist ja auch toll anzusehen).
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Bei „Sketches of Spain“ hören wir glaub ich ähnlich, aber beurteilen am Ende ein wenig anders. Für mich war’s lange das grosse Meisterwerk aus der Davis/Evans-Zusammenarbeit – das hat sich bei unserer Miles-Umfrage hier etwas verschoben, aber das müsste ich eigentlich längst mal wieder nachprüfen. Solche Verschiebungen können ja im Moment recht überraschend sein, aber mit dem Abstand rückt wieder das jahre- oder effektiv (wir werden alt) jahrzehntelang eingeprägte „Bild“ in den Vordergrund. Die Beobachtung zur Arbeit am Schneidetisch ist natürlich interessant. Das geht eigentlich schon bei „Miles Ahead“ los – die unterschiedlichen Takes (oder Montagen) der Mono- vs. Stereo-Ausgaben und all das. Die 6-CD-Box, mit der die grosse Miles-Retrospektive bei Columbia (die mein Davis-Hören und -Wahrnehmen stark geprägt hat) 1996 öffnete, dokumentiert das ja alles sehr ausführlich – und ist bei mir bis heute der „Ort“, an dem ich diese Aufnahmen in der Regel höre. Eben nicht als eigentliche Alben sondern mit all dem Material, all den Takes, z.B. dem faszinierenden Probedurchlauf vom Adagio, auf dem wir quasi mit Davis hören, was die Band macht, bevor er dann seine Solo-Stimme drüber legt.
seit ich diese 6-cd-box habe, höre ich SKETCHES OF SPAIN auch ab und zu (aber eigentlich nie die bonus tracks), vorher habe ich das album schlicht abgelehnt. kann man sich natürlich nicht leisten, wenn man ernstgenommen werden will es arbeitet auch nach wie vor in mir. aber ich finde, dass sie hier übers ziel hinausschießen, das habe ich sowohl bei miles als auch bei gil evans sonst eigentlich nie…
gypsy-tail-windP.S.: Die Band mit Brackeen? Die von Blakey kenne ich nicht (gibt ja bloss ein Album, das mich auch interessieren würde), aber die gibt’s ja auch bei Stan Getz, und die wiederum finde ich überraschend … kraftvoll, druckvoll, fast etwas zu breitbeinig irgendwie? Wurde ich bisher bei zwei oder drei Anläufen noch nicht recht warm mit … den zwei Montmartre-Alben wurde 2024 noch ein drittes nachgereicht – einen Tag nach den Live-Aufnahmen im Studio gemacht, aber damals nicht veröffentlicht:
https://www.discogs.com/de/release/30709619-Stan-Getz-Unissued-Session-Copenhagen-1977
ich dachte an brackeen bei blakey, eine der wenigen (die einzige?) frauen bei den messengers. wobei sie ja durchaus auch sehr druckvoll und virtuos spielt, sich also bestimmt dem ethos anpassen konnte.
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