Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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vorgarten

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SKETCHES OF SPAIN
davis, evans, royal, glow, mucci, coles, jordan, hixon, rehak, buffington, singer, miranda, barber, barrows, chapin, mcallister, block, caine, penque, feldman, bank, knitzer, putnam, chambers, cobb, jones, mangual, macero, townsend, plaut (10., 15. & 20.11.1959, 10.3.1960)

top 20. eine ausgesetzte trompete spielt durch ihren eigenen namen einen wilden stier an. kastagnetten und harfen setzen die flirrenden lichtreflexe, flöten den heißen wind, ein fagott zeichnet den weg einer schlange nach. szenisch zieht im hintergrund eine prozession vorbei. viel aufwand für die einzelstimme, die das alles tragen, verbinden, unter spannung setzen soll. miles davis ist zwar im modalen jazz zuhause, aber er hält sich hier an den phrygischen modus, ein enges tongerüst, wenig auswahl, es geht rauf und runter und nicht wirklich raus. fred plaut setzt ihn ganz nach vorne, jede unsauberkeit sofort auf dem präsentierteller, und miles ist ja kein bilderbuchspieler. ganz schön viel druck liegt da auf jedem einzelnen ton, einige zittern, verschlucken sich, brechen sogar. so viel spannung, ganz bewusst. kein wunder, dass er danach völlig fertig war. mir ist das, ehrlich gesagt, zu viel des guten.
hintergrund ist die neoklassizistische anstrengung, eine gitarre zu ihrem recht kommen zu lassen, die ja lautstärkenmäßig niemals gegen ein orchester ankommt: aber de falla und rodrigo hatten ihren gitarristenfreunden versprochen, etwas großes für sie zu schreiben, also verdonnerten sie das orchester zu kommentaren und flirrenden atmosphären, die bei gil evans jetzt den startrompeter untermalen. das ist so schön wie überkandidelt, denn die stimme, seltsam ausgesetzt, hat nicht die beweglichkeit der gitarre, die kann sich nicht in akkordarbeit zurückziehen, mehrstimmig agieren. es ist der offene ton von miles davis, der sich hier mit macht ins rampenlicht stellt.

natürlich sind die vielen details schön, die riff-themen, die manchmal kommen, vor allem „solea“, das um paul chambers herum gebaut ist, mit einem abstrakten marschrhythmus von jimmy cobb und einem swing auf allen 4en, mit synkopiertem rahmenschlag dazwischen, von elvin jones, zu denen miles oft die einzige melodiestimme gibt. aber das meiste ergibt einen festgezurrten gesang, aura-produktion, star-vehikel, mit allenfalls gefühlten grooves und wenig entwicklung. wäre die an der oberfläche kratzende trompete nicht, wäre das ein komplexer wohnzimmerduft geworden – so ist es scharfe aura und modernes klagelied mit genug abwechslung im hintergrund.

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