Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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MIDNIGHT BLUE
burrell, holley, english, turrentine, barretto, lion, van gelder (8.1.1963)

endlich ein gitarrenalbum! und das aus einer zeit, in der man noch begründen musste, wenn man dabei auf ein klavier verzichten wollte („not that he believes in exclusively in pianoless rhythm sections as such, but the sound just wasn’t required for concept of the groove he wanted to establish“). burrell nimmt für sein blues-album sein eingespieltes trio und lädt zwei gäste dazu, der eine naheliegend (turrentine), der andere kein bisschen naheliegend (barretto). man muss beim ergebnis über erotik sprechen, über eine masterclass in spannungsvoller zurückhaltung, die man auch „laszivität“ nennen könnte. das kommt aus der rhythm section, vor allem durch den großartigen drummer bill(y) english, der eine langsame samba mit r&b-beckenbegleitung spielen kann (und einen kunstvoll verschleppten 3/4), aber rätselhafterweise auch durch die conga, die – ganz vorne links im mix – sehr nah am ohr trommelhaut berührt, streichelt, beklopft. ein blaues feuer, reduziert, ein bisschen müde, ein bisschen unstet im wechsel von wisperern und aufschrei. das ist die große kunst des gitarristen, der sprechende linien spielt, in denen zwischen forte und dreifachem pianissimo eine menge bewegung ist (egal, ob ein- oder zweitönig oder akkordisch, egal ob solo, im trio, quartett oder quintett). die gitarre produziert hier nicht nur notierfähige töne, sondern wellen, seufzer, räusperer, ein gähnen manchmal. etwas, was im extrem dann zu james blood ulmer führt. turrentine macht das alles auch, und ergänzt ein leichtes zittern. aber – aus der perspektive der langsamen nummern endloser 80er-jahre-bluesrock-programme, die das album bestimmt alle einverleibt hatten – ist das hier von immer noch frischer zurückhaltung, die eine zurückhaltung vor dem sprung ist, kein verschwitztes bad im eigenen saft. reid miles hätte auch ein pinkes cover mit kleinen blauen akzenten machen können.

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