Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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pfingstluemmel
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California Dreamin‘ [nesfârșit] (Regie: Cristian Nemescu – Rumänien, 2007) 7/10
Tschernowik (Regie: Sergei Mokrizki – Russland, 2018) 6,5/10

Während der Post-Produktion von California Dreamin‘ (nesfârșit) starb Regisseur Cristian Nemescu bei einem Autounfall, die vorliegende Fassung des Films erweist sich also als (weit fortgeschrittener) Rohschnitt, inklusive eines vollständigen Finales.
Besonders gut gefiel mir die kleine Geschichte um eine Fliegerbombe während des Zweiten Weltkriegs, da sie äußerst reizvoll gestaltet und fotografiert wurde – und dank des Humors einen leicht surrealistischen Ton aufweist, der dem realistischen Rest der Produktion abgeht. Der Blindgänger spielt im späteren Verlauf noch eine Rolle, wenn die Posse um einen NATO-Zug, der kriegswichtige Kommunikationstechnik nach Jugoslawien bringen soll, sich an einem starrköpfigen Bahnhofswärter und der geschäftstüchtigen Bevölkerung eines kleinen rumänischen Dorfs entzündet. Humorvoll, manchmal etwas klischeebehaftet, nichtsdestotrotz sehenswert.

Das reiche Erbe des sowjetischen Films kann in den aktuellen Produktionen des russischen Kinos nur noch als leises Echo vernommen werden. In einem der besseren Filme nach einer Vorlage des Autors Sergei Wassiljewitsch Lukjanenko, vor allem bekannt für seine Wächter-Romane (und deren Leinwandadaptionen wie z.B. Wächter der Nacht), erhascht man hin und wieder eine Anspielung auf vergangene Großtaten, muss sich jedoch auch mit antisowjetischen Ressentiments herumschlagen, welche die wenig komplexe Sicht westlicher Propaganda auf die UdSSR verinnerlicht haben.
Die in Tschernowik gezeichnete, angeblich positive Welt stellt sich als Discount-Abklatsch westlicher Lebensweisen dar. Immer ein wenig off, immer ein wenig naiv. Mögen mitteleuropäische Zuschauer dies als reizvoll empfinden, langweilt sich das russische Publikum höchstwahrscheinlich auf hohem Niveau.
Besonders deutlich tritt dies auf dem Soundtrack zutage, welcher aufgewärmten Pop-Rap und Pop-Rock in russischer Sprache bietet, wie er im Westen schon in den 90ern ein Graus war.
Es leuchtete mir nicht ein, warum Drohnen und Raketen einen way of life in Bevölkerungen bomben sollen, der sich durch nichts von seinem westlichen Gegenpart unterscheidet, der allenfalls durch leichte Schäbigkeit auffällt.
Im Felde mag Russland noch nicht besiegt sein, der Kulturimperialismus des Westens (sprich: der USA, that is: Hollywood) planiert sich jedoch völlig widerstandslos den Weg und zementiert seine Alleinherrschaft. Keine Fliegerbombe wird dieser Populärkultur etwas anhaben können. (Ironischerweise fürchtet man sich im Film dann auch ein wenig vor einem chinesisch grundierten Russland…)
Abgesehen von diesen Einwänden bietet Tschernowik kompetente und unterhaltende Sci-Fi-Action, aufgewertet durch ein paar wenige hübsch gestaltete Szenen und plumpe, aber wirkungsvolle (Matrjoschka-Kampfroboter) Einfälle.

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Come with uncle and hear all proper! Hear angel trumpets and devil trombones. You are invited.