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Willie Williams – WW3 | Willie Williams ist auf seinem letzten Enja-Album, aufgenommen von Mike Marciano im Systems Two Studio in Brooklyn am 28. September 1993 im Trio mit Scott Colley (b) und Harold Summey Jr. (d) zu hören. Ein paar Leute halfen mit, damit dieses Trio zustande kam: Sänger Vincent Lewis hatte die Idee, Freund (und Liner Notes-Autor beim ersten Album) Russ Musto „crystallized on the concept“. Williams schreibt im Booklet (bzw. wird von T.S. Monk in den Liner Notes zitiert, ganz klar ist das nicht), dass sich das Album aus der Arbeit mit Monk ergeben habe und das Trio „a natural unit“ sei. Colley und er gehörten zur Combo von Monk und bei der International Drum Competition vom Thelonious Monk Institute sah er Summey spielen, der den Wettbewerb gewann: „We had an incredible time on stage and we hooked up immediately.“ – Dankensworte richtet Williams u.a. an die Musiker an Odean Pope, Tyler Mitchell (den Bassisten der Band von Art Taylor), Clifford Jordan („for inspiration“) und Gust Tsilis. Monk schreibt dann, wie er Williams in der Band von Jordan entdeckt hätte, später mit Taylor’s Wailers wieder gehört habe. „I thought he was a monster and realized he is one of the most important players around today.“
Das Trio muss dankenswerterweise nur 56, nicht 74 Minuten, durchhalten … es sind neben der an zweitletzten Stelle platzierten dreiteiligen, fast 13minütigen Titelsuite („Armageddon“, „The Choice Is Yours“, „Babylon Falls“ – „WW3“ stehe allerdings nicht für den dritten Weltkrieg sondern für sein drittes Album, schreibt Williams) acht Stücke zu hören. Der Opener „Out for a Walk“ stammt von Pope, das folgende „Frozen Sun“ von Colley, in „The Third Time Is a Charm“, seinem ersten Original, einem Walzer, spielt Williams dann Sopransax – und scheint den Titel direkt in die Tat umzusetzen. Von Tyler Mitchell stammt dann „Takin‘ It with Me“, mit dem Leader nochmal am Sopransax aber für einmal im schnellen Tempo. Dann folgen zwei Klassiker, die Ballade „La Mesha“ von Kenny Dorham, in der Williams und Colley über Besen-Wirbeln in den Dialog treten, bevor Williams eine kurze Improvisation spielt – nicht einmal vier Minuten dauert das Stück und bietet doch eine ganze Welt. Der zweite Klassiker ist Jackie McLeans „Dr. Jackle“, in rasendem Tempo, wobei Williams stets souverän und fast schon gelassen wirkt – ein wenig erinnert er hier durchaus an Sonny Rollins. Auch das Solo von Summey ist souverän – ein wenig wirkt so ein Stück aber schon auch, als wolle die jüngere Generation hier ihre Fähigkeiten beweisen. Entspannt danach Summeys Beitrag „You Can If You Try“ mit Williams am Sopransax und einer Art Calypso-Beat – und einem guten Solo von Colley. Dann folgen Armageddon und der Fall Babylons – Multiphonics vom Leader ganz allein, dann ein Rubato-Begleitung von Summey und Colley dazu, das Tenorsax kreist um ein paar Motive und Melodien, wird dann wieder freier und endet den ersten Teil (nehme ich an) wieder mit Multiphonics, bevor im zweiten Teil das Sopransax zum Einsatz kommt, zunächst auch im Rubato, dann in einem schnellen Beat, der zwischen Dreier und Vierer zu changieren scheint. Ein Bass-Solo folgt vor dem dritten Teil, für den Williams wieder ans Tenorsax wechselt – ein kleines Riff-Tune, aber auch weitere freie Passagen und fliessende Übergänge in andere Teile – oft gibt es mit eher Puls als feste Time … und ich bedauere ein wenig, dass das Trio nicht mehr solche freien oder zumindest abenteuerlicheren Stücke gespielt hat. Der Closer „One Thousand Years of Peace“ stammt auch von Williams – und ist wieder konventioneller, ein swingendes Stück im 4/4 mit bluesigen Anklängen, das von den Changes her an einen Bebop-Klassiker angelehnt klingt, auf den ich gerade nicht komme.
Das ist wirklich ein tolles Trio – und Williams‘ Enja-Alben brauchen sich vor denen vom Taylor’s Wailers Kollegen Abraham Burton nicht verstecken (das McLean-Cover hier verrät auch einen gemeinsamen Bezugspunkt), auch wenn Burtons Spiel nochmal anders brennt und eine Qualität hat, die mir bei Williams fehlt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba