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gypsy-tail-wind
Was „Free Jazz“ angeht: ein Album, an dem ich mir lange die Zähne ausgebissen habe – auch wenn ich daneben „The Shape of Jazz of Jazz to Come“ usw. schon liebte und mit „Ascension“ auch allmählich klargekommen bin. Doppeltes Problem im Rückblick (und eine andere Perspektive gibt es für unsereins ja gar nicht): einerseits die Musik selbst, die sich so seltsam anhört und -fühlt, relativ steif (trotz des Swings, der wirklich da ist … aber polyphoner Dixieland swingt ja auch und ich habe das lange irgendwie als modernistische Form davon wahrgenommen und das in einer Zeit, als ich noch nicht mal Louis Armstrongs Hot Five und Seven wirklich mochte), und dazu dann eben die Frage, was all die Aufregung um dieses doch irgendwie zahme Album soll – wenn doch z.B. „Mingus Presents Mingus“ viele freiere Musik enthält. Ich höre bis heute „Ascension“ viel häufiger – aber auch nicht oft. Nächstes Mal, wenn ich „Ascension“ hervorhole, werde ich mich auf Hubbard besonders achten … und gute Frage wegen Alan Shorter – ich vermute, dass der 1965 eine so obskure Wahl gewesen wäre wie Dewey Johnson. Woher kam der eigentlich, da könnte es helfen, die Zeitachsen von Giuseppi Logan, Marion Brown, Paul Bley, Pharaoh Sanders usw. und ihre Überschneidungen offenlegen … irgendwie war Johnson da ja überall, auch bei Sun Ra und bei der October Revolution in Jazz, die damals für diese Leute wohl eins der wichtigen Events gewesen war. Dass Sanders in der Zeit der wuchtigste Solist war (Coltrane sollte ja in den Monaten, die ihm noch blieben, etwas Boden gut machen) ist bei der Session definitiv so. Shepp war ja schon irgendwie … etwas altmodischer? Und bei der Session kann man Colemans Diktum über das Tenorsax (ich hab’s grad nicht im Kopf und auch keine Ahnung, ob’s echt oder erfunden ist, aber irgendwas mit auf dem Instrument hätten die Afro-Amerikaner ihren tiefsten Ausdruck gefunden?) vielleicht nachempfinden: Brown und der irgendwie geometrisch organisierte (auch noch auf den Sessions mit Dyani, wo er neben Pukwanas überbordendem Flow eine Art andere Ordnung vorschlägt) Tchicai entwickeln nicht die Wucht und Überzeugungskraft der Tenorsaxophonisten.
Die Frage, seit wann „Sextant“ in solchen Liste auftaucht, finde ich interessant … könnten die Achtziger-Experimente („Future Shock“) da eine Rolle gespielt haben?
danke für die vielen interessanten gedanken (und die tanzfotos aus newport natürlich). dass FREE JAZZ steif daherkommt, stimmt wohl, hätte ich mich damals nicht getraut zu denken, als ich das entdeckt habe. man denkt ja eigentlich, dass man hier tolle vergleiche anstellen kann, zwischen cherry und hubbard, haden und la faro, blackwell und higgins, aber sie sind halt weniger „bei sich“ als mit dem konzept beschäftigt.
die soli von tchicai und brown auf ASCENSION mag ich wahnsinnig gerne, ich kannte die beim ersthören noch gar nicht und sie haben mich sofort interessiert. und dass dewey johnson da auftauchte, machte schon sinn angesichts seiner credits – vielleicht nehme ich ihn nicht so ernst, weil er später kein größerer name wurde, anders als die anderen (wobei tchicai ja auch immer etwas am rand blieb). alan shorter hätte aber durchaus auch nahegelegen, er war ja damals im umkreis von shepp und brown und vorher an shepps FOUR FOR TRANE session beteiligt. ich bin mir übrigens immer noch nicht sicher, ob ich den richtigen take gehört habe – „take 1“ ist ja irgendwie „edition II“ und umgekehrt, und dann hat das auch nochmal gewechselt. ich habe jedenfalls den take ohne drumsolo gehört, ich denke, der war in der liste gemeint.
ich denke, SEXTANT ist in den 90ern wiederentdeckt worden, vor allem durch die sogenannte „intelligent dance music“ bzw. „electronica“. vor allem „rain dance“ ist da wegweisend. aber mir fehlen dafür die quellen, jüngere produzent*innen und djs, die sich auf das album berufen. HEADHUNTERS war ja viel anschlussfähiger an hiphop, denke ich.
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