Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert › Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert
vorgarten29 ASCENSION coltrane, johnson, sanders, hubbard, tchicai, shepp, brown, tyner, davis, garrison, jones, thiele, van gelder (28.6.1965) 5 entscheidende jahre liegen zwischen ASCENSION und FREE JAZZ. man wunderte sich 1965 auch nicht mehr über tenorsaxofonsoli, die 27 chorusse lang dauern – nur sprach man damals wahrscheinlich nicht mehr von „chorussen“. freddie hubbard war auf beiden sessions und an seinem spiel kann man gut ablesen, welche neuen verankerungen, strukturen, ausdrucksmöglichkeiten die musik zwischenzeitlich hinzugewonnen hat. sein solo ist ein ziemliches highlight hier, es findet seine eigenen harmonien, bewegt sich souverän im roten bereich, baut einen fantastischen höhepunkt auf, ehe die kollektive welle wieder über ihm zusammenbricht und ihn fast um den letzten ton einer toll herausgearbeiteten figur bringt. ASCENSION hat eine wellenform, und es ist ein großes, wildes meer, das diese wellen transportiert: gewichtig, dunkel, schäumend. nicht nur der jazz hat sich bewegt, auch bürgerrechtsbewegungen, und nicht nur vorwärts (malcolm x wurde im jahr dieser session ermordet). das hymnische thema trägt ein paar soli und welleneinstürze lang, von tyners akkorden fließen gelassen. auch über das zwischen coltrane und sanders eingeklemmte fragezeichen dewey johnson (hatte alan shorter keine zeit?) spült es kraftvoll hinweg. aber spätestens nach dem fast verhinderten höhepunkt im hubbard-solo wirbeln sich ratlosigkeiten ein. tchicais unfassbar coole motivverschiebung macht nachdenklich, shepps vibrierende heiserkeit klingt fast hip über der plötzlichen pendelbewegung von tyner, und was marion brown da macht, ist ein völliges enigma. der musik geht nicht unbedingt die puste aus, sie ist bloß über eine grenze hinausgeflossen, die schlusshymne fängt sie nur mühsam wieder ein. wenn ornette coleman individuellen ausdruck verlangt hat, strampeln hier alle auf ihre weise ums nicht-ertrinken und treten dadurch neue wellen los. pharoah sanders beeindruckt mich – sein solo ist das wildeste, nah am geräusch, ein gefährlich klingendes werkzeug, das keine schöne formen mehr baut. krawumm macht es dazu im hintergund, denn den gibt es auf ASCENSION: fast denkt man, dass sich die musiker zwischendurch zum lauten aufschrei dahin zurückziehen, um halbwegs strukturiert dann vorne sagen zu können, was sie bewegt. hoch hinaus kommen sie nicht. eine himmelfahrt, die unter die walzenräder gerät.
Danke für den Text zu Ascension. Wie bereits gebeichtet: neu beim Jazz, neu bei Coltrane, von dem habe ich erst ein paar Alben gehört. Von den Gehörten hat mir aber Ascension bis jetzt (das wird sich sicherlich noch ändern) am besten gefallen, wegen, ja genau, dem Hymnischen, Wellenhaften.
--
If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.