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@vorgarten(…) beim arrangement würde ich aber sagen, vor allem mit dem gil-evans-album im ohr, für das friedrich oben sehr schöne worte gefunden hat, dass nelson auch nur mit wasser kocht und die aufgabe insgesamt etwas einfacher war…
(…)
Vielen Dank! Das war aber auch eine schöne anregende Vorlage von Dir.
Ich habe aktuell genug Zeit um mir den Barbara Song auf dem Sofa sitzend mehrmals hintereinander aufmerksam anzuhören und Worte dafür zu finden. Das Album The Individualism … steht als CD bei mir schon ewig im Regal. Aber ich hatte es nicht oft gehört, und wenn, dann weder in der ursprünglichen Reihenfolge der LP mit dem Barbara Song am Anfang (auf der erweiterten CD ist Time Of The Barracudas am Anfang und zieht zunächst die Aufmerksamkeit auf sich), noch mit der gebotenen Aufmerksamkeit. Dieser Thread war aber ein guter Anlass, da mal genauer hinzuhören und sich das Gehörte bewusst zu machen.
vorgarten
friedrich Habe mir die Gil Evans Interpretation des Barbara Songs inzwischen ein paar mal aufmerksam angehört. Wenn ich es nicht schwarz-auf-weiß hätte, würde ich nicht glauben, dass die Vorlage ein Lied aus der Dreigroschenoper ist. Evans scheint die ursprüngliche Komposition als Ausgangspunkt genommen aber sie dann durch einen Filter nach dem anderen geschickt zu haben, bis das Original eigentlich nicht mehr zu erkennen ist. Eine fast vollständige Metamorphose. Da erkenne ich keinen Song mehr. Ich höre farbige Klangwolken, die sich langsam ausbreiten, vor- und hintereinander schieben und miteinander mischen, hier und da verdichtet sich etwas in Form eines Solos auf Sax oder Flöte und mit dem Klavier blitzen ein paar funkelnde Kristalle auf. Schichten von Klang in ungewöhnlichen dunklen Pastelltönen. Bass und drums ganz weit unten verbinden das nur noch locker mit festem Boden.
irgendwer hat hier mal geschrieben: gil evans sei kein arrangeur, sondern ein zustand. warst du das?
Nein, das habe ich nicht gesagt und ich würde es auch nicht sagen. Ich denke, so eine Interpretation wie die des Barbara Songs ist ein langer kreativer Prozess, eine Bewegung. Sowas fällt Gil Evans ja nicht einfach so ein! Vielleicht blieb die Melodie irgendwo irgendwann irgendwie bei ihm im Ohr hängen, dann hat er etwas dazu-fantasiert, Stimmen und Schichten hinzugefügt, hier etwas gedehnt oder gestaucht, dort etwas verdichtet oder aufgelockert, dieses und jenes hinzugefügt oder weggelassen, es in seine eigene musikalische Sprache übersetzt und am Ende kommt etwas heraus, bei dem das Erbgut des Ursprungsmaterials zwar noch vorhanden ist, sich aber in ganz veränderter Form zeigt. Evolution, Transformation, Metamorphose oder wie immer man das nennen möchte.
Ich habe festgestellt, das ich hier im Forum sogar mal einen Gil Evans-Thread eröffnet hatte. Komme ich ggf. mal drauf zurück.
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)