Antwort auf: 100 beste Jazzalben des Rolling Stone, kommentiert

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vorgarten

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MUSIC IS THE HEALING FORCE OF THE UNIVERSE
ayler, few, james, folwell, ali, parker, vestine, michel, sawtelle (26./27.8.1969)

wenn man dieses heiße durcheinander hört, scheint die hoffnung, die im titel anklingt, bereits ihre enttäuschung eingepreist zu haben. musik ja: dudelsack, calypso, spiritueller freejazz, bluesrock, aber da heilt nichts mehr. vom physischen wühlen im vormusikalischen urschlamm auf SPIRITUAL UNITY ist hier fast nur das durchatmen übrig geblieben, auch wenn davon immer noch alles mögliche an material in bewegung versetzt wird. der in die zukunft gerichtete hippie-vibe von NEW GRASS und und LOVE CRY: hier schon wieder ausgeatmet. an den nerven zerren die dudelsacksounds, mit weiteren dudelsack-overdubs (oder ist das sängerin und partnerin mary maria parks am sopransax?), der schiefe gesang von ayler, der aus „oh! love of life“ fast eine farce macht, das schweinegitarrensolo von henry vestine (canned heat). die linearen lesart einer zunehmenden eindunklung der ayler-musik und ihrer zunehmend düsteren beziehung zum universum, die den bruder und die mutter nicht loswird, die neue partnerin nicht halten kann und höchstwahrscheinlich mit einem sprung von der brücke endet, passt aber auch nicht, denn im sommer 1970 stellen ayler und parks ja noch ein live-programm für eine europatour zusammen, in dem hippiemusik, SPIRITUAL UNITY und das material der letzten session (das hier und das vom LAST ALBUM) schulterschließend nebeneinanderstehen. die schwarmintelligenz des rolling stone konnte sich, kontexte und lesarten hin oder her, auf den schief gewachsenen steinbruch einigen, der dieses album ist. seit dem urteil des down beat („an almost unlistenable disaster“) ist offenbar entscheidende zeit vergangen und neue zugänge scheinen gefunden worden zu sein. ich selbst bin nicht ganz sicher.

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