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Johnny „Mbizo“ Dyani – Grand Mother’s Teaching | Ca. 1982 oder 1983 (ich hab „März 1983“ auf das Cover meiner CD-R gekritzelt, das steht in der Diskographie von Bruyninckx, aber auf Discogs steht 1982 als Veröffentlichungsjahr) entsteht das nächste Album einer Dyani-Band. Mit dabei: Butch Morris (cor), Doudou Gouirand (as), Pierre Dorge (g) und Makaya Nthsoko (d) – also ein paar Getreue und ein paar einmalige Gäste aus Long Beach bzw. Nizza. Es gibt sechs Stücke, ich vermute alle von Dyani. Die Stimmung ist nachdenklich, verhalten, fast melancholisch – was viel mit dem Kornett zu tun hat, aber auch mit der singenden Gitarre, dem cremigen Altsax und den eher gemütlichen Tempi, die die erste Hälfte des Albums mit „Blues for Bra Dick“, „I Will Let the Spring Po Explain“ und „Open Ballad to Mandela“ beherrschen. Dann folgt das elfminütige Titelstück, Chants und Drums, gegen Ende Chants mit Kontrabass und Drums und dann ein Bass-Solo mit Drums und am Ende Gesang mit Bass und Drums und eine schnelle Ausblende – alles ziemlich kraftvoll, der Kontrast von Ntshoko zum entspannten Spiel von Jolobe könnte kaum grösser sein. Dann kehren die Bläser und die introspektive Kontemplation zurück mit dem zweieinhalbminütigen „Zalis Idinga“, einer Art Choral-Hymne. Und dann mit „Majikas Bhekane“ ein Closer mit singender Gitarre schon im Intro, schnellerem Tempo und catchy Groove, den die Bläser und der Bass im Wechsel spielen. Dyani singt und chantet wieder, das alles ist aufgestellter als alles zuvor auf dem Album, aber die Traurigkeit bleibt da – wie beim alten Blues. Und auch hier ein schneller Fade-Out. Und vielleicht ist das Album eine Art traditionalistischer Gegenpart zu „Witchdoctor’s Son ‚Together'“. Es ist leider kurz (nicht ganz 33 Minuten), wirkt da und dort etwas unfertig oder lieblos produziert – und mag mich trotz der schönen Stimmung nicht zu fesseln.
Johnny Dyani – Afrika | Am 1. Oktober 1983 ist Dyani wieder im Studio für Steeplechase – er spielt Klavier und Bass und hat das ganze Material komponiert: neun Stücke insgesamt, auf der CD als Bonustrack ein 13minütiger Alternate Take von „Grandmother’s Teaching“. Ed Epstein (as/ts) ist wieder dabei, alle anderen Musiker sind neu: Charles Davis (as), Thomas Ostergren (elb), Gilbert Matthews (d), Thomas Dyani (cga) und Rudy Smith (steel d). „Blame It on the Boers“ heisst der Opener, ein andere Stück „Needle Children“ … und „Appear“ ist das altbekannte „Ithi Gqi“. Nach der ersten Version von „Grandmother’s Teaching“ (mit knapp 10 Minuten auch auf der langen LP der längste Track) gibt es in der zweiten Hälfte drei Widmungen: „Funk Dem Dudu“, „Kippieoology“ und „Dedicated to Abdullah Ibrahim“. Steel-Drums mag ich eigentlich nie, aber die Einbindung klappt hier ganz gut – Smith stammt aus Trinidad … gemäss seiner Website lebt er heute in Dänemark und hat mit der halben Welt gespielt. Der E-Bassist – der teils neben dem Leader am Kontrabass zu hören ist, aber oft allein, weil Dyani am Klavier sitzt, gehörte zur schwedischen Jazz-Rock-Gruppe Oriental Wind (mit Okay Temiz, Bobo Stenson, Lennart Åberg …). Charles Davis braucht man nicht vorstellen. Thomas Dyani ist der Stiefsohn von Johnny, verbrachte seine ersten Jahre in Nigeria, bevor er mit seiner Mutter nach Dänemark zurückkehrte, wo dann der Bassist in sein Leben trat. Thomas Dyani spielt auf mehreren Alben von Pierre Dorges New Jungle Orchestra mit, das es ohne Johnny Dyanis Musik nicht gegeben hätte (oder es hätte andere Musik gemacht). Und Gilbert Matthews braucht man auch kaum vorstellen: der Drummer aus Südafrika spielte in Südafrika u.a. mit Chris Schilder (Ibrahim Khalil Shihab), bevor er für einige Zeit in die USA ging, wo Max Roach und Elvin Jones seine Mentoren wurden und er längere Zeit als regulärer Drummer mit Ray Charles spielte. In den Siebzigern nahm er, zurück in Südafrika, mit Abdullah Ibrahim und Kippie Moeketsi auf, spielte mit Spirits Rejoice (u.a. mit Duke Makasi, Robbie Janson und Mervyn Africa) … und landete am Ende der Dekade in Schweden, wo er dann wohl blieb und mit all den Leuten spielte, die er in der Zeit in Europa antraf (Shepp, Mengelberg, Tchicai, Mangelsdorff, Mariano … und natürlich andere Südafrikaner im Exil). Auch „Afrika“ verzettelt sich in etwas viele Richtungen, finde ich – aber ich mag das Album trotzdem sehr gerne. Allein das Cover ist schon super, verspricht allerdings eine dunklere Stimmung als die Musik sie die meiste Zeit bietet. Nicht mal das lange „Grandmother’s Teaching“ ist aus einem Guss … quasi das Album noch einmal drin gespiegelt. Aber dennoch gibt es hier so viele tolle Momente, so starke Gruppen-Musik, so tolle Grooves und Beats … die minimalistische Version von „Funk Dem Dudu“ etwa ist echt super … und da kriegt dann auch keiner der Saxer ein Solo – überhaupt kriegt hier eh keiner wirklich ein Solo (das ist jetzt übertrieben, aber nur leicht), das ist noch viel mehr als das französische Vorgänger-Album reine Band-Musik, in der die Congas und die Bassgitarre gerade so wichtig sind wie die Saxophone oder die Steel Pans. Ein Album, das weniger als die Summe seiner Teile ist – und das ich irgendwie in all den Jahren*, die es jetzt hier ist, immer mochte.
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*) da, wo man – ich glaub immer noch – das obere Album findet, steht auch, wie lang ich die Dyani-Alben auf Steeplechase in etwa schon habe
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba